Was ist besser als Alkohol? Karaoke!

Der Tocotronic-Gitarrist Rick McPhail spielt mit seiner Garage-Band Mint Mind heute in der 8MM Bar und hat ein neues Album

Von Julia Lorenz

„Green Green Grass of Home“ von Tom Jones. Das ist sein Glanzstück, sein Hit beim Karaoke, glaubt Rick McPhail. „Ein Song über einen Typen, der hingerichtet wird“, sagt er. „Wenn er anfängt, denkt man, das sei ein Liebeslied. Erst in der letzten Strophe wird klar, dass der Erzähler sterben muss. Sehr trauriges Stück, aber das ist einfach meine Stimmlage.“

McPhail kommt eigentlich aus Maine, lebt seit über 25 Jahren in Deutschland, ist Gitarrist der Gruppe Tocotronic, erklärter Karaoke-Fan – und seit fünf Jahren auch noch Sänger der Garage-Band Mint Mind, die gerade ihr zweites Album „Thoughtsicles“ veröffentlicht hat.

Im Video zur aktuellen Single „Alcoholicity“ sind McPhails Freunde zu sehen, die sich bei ihm regelmäßig zum Karaoke treffen. „Vocal therapy group“ nennt er die Runde: gemeinsames Singen als Gruppentherapie. „Wenn man als Band eine Coverversion aufnimmt, musst du dem Song deinen eigenen Stempel aufdrücken, sonst sind die Leute gelangweilt“, sagt McPhail. Das Tolle am Karaoke sei: Man müsse einem Stück nichts hinzufügen, könne einfach nur singen, performen und das Dopamim seine Arbeit verrichten lassen. „Eigentlich besser als Alkohol“, sagt er.

Einem ähnlich pragmatischen, spaßorientierten Ansatz ist auch die Musik verpflichtet, die er mit seinen Mint-Mind-Kollegen Tim Wenzlick und Christian Klindworth spielt. Geschrieben war das Album innerhalb einer Woche, mit Unterstützung von Zac Johnson aufgenommen in einem Monat. Den Stil seines vorherigen Bandprojekts Glacier, mit dem sich McPhail die Freizeit zwischen den Tocotronic-Alben vertrieb, bezeichnet er als „Adult Independent“, als Erwachsenenmusik. Wenn man so will, ist Mint Mind nun das Adoleszenz-Pendant.

Die Gitarren klingen ruppig, fuzzig und nach so ziemlich allen Bands, die einen in ihrer Wut und Schluffigkeit im Jugendzimmer einst elektrisiert hatten: Dinosaur Jr, Pavement, you name it. Obwohl „Garage-Rock“ draufsteht, sind Mint Mind im Herzen eher in US-Hardcore-Clubs der 80er und 90er als mit den Kinks in der Garage.

Dazu geht es um Bekenntnisse gegen den rechten Backlash („There’s not a reason in the world for supremacy / Where you’re born’s is just the luck of the drawn“, singt McPhail in „ A Road Best Travelled“), mal um Themen, die einem spätestens nach dem dritten Bier nicht weniger existenziell erscheinen: zum Beispiel um Bekanntschaften, die einen mit zu aufdringlicher Ankumpelei auf die Nerven fallen („Brother, You’re Not My Brother“). Oder eben schlicht darum, sich mit guten Freunden ordentlich einen reinzustellen und dabei alle Gewissheiten über Bord zu werfen („Alcoholicity“). Teenage dreams, so hard to beat.

Es passt zum traditionsverliebten Sound des Trios, dass das Debüt „Near Mint“ einst auf Kassette erschienen ist. Ebenfalls passend, dass man sogar den Bandnamen als Anspielung auf die Vinylkultur deuten kann: Mit „Mint“ bezeichnen Plattenhändler eine Scheibe, die neuwertig, aber nicht mehr eingeschweißt ist. Aber trotz aller Referenzen wollen Mint Mind, das ist Rick McPhail wichtig, keinen beflissenen Authentizitätskult pflegen. „Ich finde diese reinen Retro-Garagebands oft öde“, sagt McPhail. „Ich mag den Sound, aber ich finde es besser, ein bisschen was anderes daraus zu machen. Die Allah-Las zum Beispiel klingen wirklich genau wie die Byrds. Aber dann höre ich mir doch lieber die Byrds im Original an.“

Wenn „was anderes“ bedeutet, die ganze Retro-Nummer liebevoll anzugehen, aber nicht todernst zu nehmen, ist „Thoughtsickles“ ein kleiner, großer Erfolg. Woran Rick McPhail hingegen scheitert: die Beatles beim Karaoke zu singen. „Ist einfach zu hoch“, sagt er.

Mint Mind: Thoughtsicles (Upper Room/Broken Silence), Live: 16. 1., 19 Uhr, 8MM Bar