Böllerverbotszonen in Berlin: Es knallt nicht mehr
Erstmals sind in zwei Innenstadtbereichen Berlins Böller offiziell nicht mehr erlaubt. Der Polizei gelingt es, das Verbot auch durchzusetzen.
Die zwei anderen sind in Schöneberg, genauer an der Pallasstraße, wo es in den vergangenen Jahren eher rau zuging, und auf der Partymeile vor dem Brandenburger Tor, wo schon seit Jahren kein privates Feuerwerk mehr erlaubt ist. Doch die Verbotszonen am Alex und in Schöneberg sind neu – im Gegensatz zu den mehrere Jahre alten Diskussionen um Böllerverbote in den Altbaukiezen von Berlin.
Ab 23.40 Uhr zieht es am Alex immer mehr Menschen in die Zone. Besonders beim Einlass an der Weltzeituhr wird es eng. Direkt davor, wo kein Böllerverbot gilt, wird es immer chaotischer. Menschenmassen stehen dicht gedrängt, oft im Kreis um eine drei bis fünf Meter große Fläche, die sie für Böller freilassen; oft aber werden auch Knallkörper einfach in die Menge geworfen. Es macht den Anschein, dass deswegen viele Menschen spontan entscheiden, in die ruhige Verbotszone zu fliehen. Dort ist es – verglichen zu anderen, normalen Tageszeiten – eher leer.
„Da draußen ist es wie im Krieg, hab ich das Gefühl“, erklärt Vagrik, 28, aus Köln, warum er in der Verbotszone steht. Er verbringt Silvester mit seiner Mutter. Für ein Böllerverbot in der ganzen Innenstadt ist er nicht, aber die Verbotszone „würde ich nicht missen wollen“.
Vagrik und seine Mutter stehen nahe an der Weltzeituhr – dort haben sich zwischen 23.45 Uhr und 0.30 Uhr die meisten Menschen in der Verbotszone gesammelt und sehen sich alle das Feuerwerk an, das ein paar Meter weiter – außerhalb der Verbotszone – stattfindet.
Mit der Böllerei sei es „ein bisschen wie mit Lagerfeuern. Man will nicht drinstehen, aber man will es angucken“, meint Christoph, der seit zwölf Jahren in Berlin lebt und gegen ein generelles Böllerverbot in der Innenstadt ist. „Es macht ja auch irgendwie Spaß. Und wenn man sich die sonstige Umweltbelastung so anguckt, würde ein Böllerverbot für die Umwelt auch nicht so viel bringen.“ Er hat seine Familie aus Sachsen über Silvester zu Besuch.
Es wissen nicht alle, die sich in der Verbotszone aufhalten, dass Böller nicht erlaubt sind. Vereinzelt haben es Leute trotz Einlasskontrollen mit Feuerwerkskörpern rein geschafft. Eine Familie mit Kindern zündet um kurz nach Mitternacht ein Steh-Feuerwerk an. Keine fünf Sekunden später weist ein Polizist sie zurecht.
Eine Familie aus Neapel wusste nicht, dass an dieser Ecke Berlins ein Böllerverbot gilt. Sie ist einfach gekommen, weil es hier ruhiger und entspannter ist. Eigentlich findet sie Feuerwerk und Böllerei aber überhaupt nicht schlimm – in Neapel gehe es dahingehend noch extremer zu als in Berlin.
Riesiges Feuerwerk, Hunderttausende Gäste und das alles vor historischer Kulisse: Mit Deutschlands größter Silvesterparty hat Berlin am Brandenburger Tor friedlich das Jahr 2020 begrüßt. Zuvor hatten unter anderem Kerstin Ott und die schwedische Rockband Mando Diao für Stimmung gesorgt. Wegen des großen Andrangs wurden die Zugänge zur Veranstaltung auf der Straße des 17. Juni am Abend geschlossen - wie bereits in den vergangenen Jahren.
Das Berliner Unfallkrankenhaus hat in der Silvesternacht 15 Menschen mit schweren Verletzungen durch Böller oder Raketen behandelt. Dazu zählten in mehreren Fällen schwerste Verbrennungen, wie eine Kliniksprecherin am Neujahrsmorgen sagte. Mehrfach waren durch Explosionen Finger abgetrennt worden, in einem Fall die ganze Hand. Unter den Schwerverletzten waren auch vier Kinder unter zehn Jahren. (dpa)
Ab halb eins leert sich die Verbotszone merklich, denn auch außerhalb davon werden die Menschenmengen kleiner und die Feuerwerke und Raketenabschüsse weniger. Die Menschen, die in dem abgesperrten Bereich Sicherheit gesucht und gefunden haben, fühlen sich nun jenseits der Absperrungen auch wieder sicher.
Größere Vorkommnisse gibt es offenbar keine, auch nicht in der Schöneberger Pallasstraße. Polizeisprecher Thilo Cablitz zog nach Mitternacht eine positive Bilanz für die beiden Bereiche. „Unsere Maßnahmen haben da gegriffen.“ Zwar hätte es mehrere Gruppen gegeben, die versucht hätten, mit Pyrotechnik in die Verbotszonen zu gelangen. Diese hätten sich aber ohne große Auseinandersetzung davon abbringen lassen. Genauere Ergebnisse sollten am Mittwochnachmittag bekannt gegeben werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!