Die Sex Pistols in der Plastiktüte

Von 1969 bis 2002 verband eine Personenfähre Hamburg mit England. Dann kamen die Billigfluglinien

Letzter Auslauf: Die „Admiral of Scandinavia“ verlässt am 28 Februar 2002 den Hamburger Hafen. Eine England- Verbindung gab es dann noch bis 2005 von Cuxhaven aus Foto: Sören Stache/dpa

von Alexander Diehl

Bevor es Billigflieger gab, ernstzunehmende Fernbusverbindungen oder gar eine Bahnstrecke unter dem Ärmelkanal hindurch, als Flugreisen zudem noch eine ziemlich teure Sache waren, eine für Geschäftsreisende oder Klatschspaltenpersonal: Da nahm, wer von Norddeutschland aus nach England wollte, die Fähre. Hatte es in den 1960er-Jahren eine Verbindung von Bremerhaven aus gegeben, verlegte die Reederei DFDS Seaways sie dann nach Hamburg: Am 31. Mai 1969 verließ erstmals die „Prinz Hamlet“ – DFDS ist ein dänisches Unternehmen – den Hamburger Hafen mit Kurs Harwich.

Ganz im Do-it-yourself-Sinne: Nicht im Container, sondern in der Plastiktüte oder im privaten Pkw-Kofferraum gelangten ab 1976 die ersten Punkrock-Schallplatten – und, eine kurze Weile mindestens so begehrt: Lieblingsband-Buttons fürs dann immer öfter schwarzlederne Revers – nach Hamburg, wo sie dann in Läden wie dem „Rip Off“ im Karolinenviertel verkauft wurden (oder, auch nicht selten, einfach geklaut).

Als, noch etwas früher, politisch ambitionierte Filmemacher an der Hamburger Kunsthochschule, wo sie in Dozentenstellen gelangt waren, die Demokratie und Teilhabe versprechende Videotechnik zu etablieren suchten, beschafften sie die damals noch sehr großen, sehr schweren Gerätschaften aus England: Da seien sie halb so teuer gewesen wie hierzulande. Auch das geschah per Autofähre (und ohne sonderlich viele Gedanken an Zölle oder Abgaben).

Vier Schiffe folgten der ersten „Hamlet“, das letzte war ab 1985 die „Admiral of Scandinavia“, die dann bis 2002 Hamburg anlief. 19 Stunden dauert die Überfahrt, 315 Autos und etwas über 1.000 Passagiere fanden Platz an Bord. Die Fahrgastzahlen indes gingen nach dem Jahr 2000 von 110.000 auf 100.000 pro Jahr zurück, und zum 1. März 2002 stellte DFDS die Hamburg-Linie ein.

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Zwischen den Jahren geht es der taz nord um ihre Grenzen – und darum, was die Menschen daraus machen. Zum Schluss: Themse-Hanseaten und Kiez-Karrieren

Ende 2001 stand kurz im Raum, wieder Bremerhaven zum deutschen Endpunkt der Verbindung zu machen, aber es kam noch mal anders: Von Cuxhaven aus pendelte ab 2003 zweitäglich die „Duchess of Scandinavia“ nach England – bis auch das sich nicht mehr lohnte: Mit Reisendenzahlen um die 35.000 im Jahr sowie sinkenden Einnahmen beim zollfreien Verkauf an Bord habe die Verbindung bereits seit Längerem in roten Zahlen gesteckt, erklärte damals die Reederei. Zu dieser Zeit waren die erwähnten Airlines mit den verdächtig niedrigen Preisen längst eine ernstzunehmende, aggressiv auftretende Konkurrenz.

Eine Verbindung Cuxhaven–Immingham, Lincolshire, bedient DFDS bis heute – aber nur noch für Fracht.