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Das geteilte Vieh

Beim Crowdbutchering wird ein Tier erst geschlachtet, wenn sich genug Verbraucher dafür gefunden haben. Vermarktet wird das Fleisch online, auch von Norddeutschland aus

Kommt auf den Tisch, sobald sich genug Fleischesser finden: Gallowayrind auf der Weide Foto: Hinrich Carstensen

Von Juliane Preiß

Schlachttag klingt nicht nett, beschreibt aber ziemlich genau, worum es geht. Früher lief das so: Hatte der Bauer ein schlachtreifes Tier im Stall, machte das im Dorf die Runde und es wurde Platz in den Gefriertruhen geschaffen. Zuerst kam der Metzger, dann der Tierarzt und zu guter Letzt die Dorfgemeinschaft, unter der das Fleisch und einige Schnäpse je nach Bedarf aufgeteilt wurden.

Heutzutage ist diese Art von analoger Direktvermarktung nicht mehr praktikabel. Sie ist für die Landwirte zu zeitaufwendig. Auf den Dörfern leben kaum noch Großfamilien, die viel Fleisch auf einmal verwerten können. Für Stadtbewohner sind die Anfahrtswege zu weit.

Das Vermarktungsproblem kannten auch die Eltern von Hinrich Carstensen. Sie züchten seit rund 30 Jahren Gallowayrinder in Ostholstein und baten ihren Sohn, mal ein Rind in Hamburg zu vermarkten, wo dieser damals noch mit seiner Freundin Lina Kypke wohnte.

„Wir fanden das gut, aber nur für ein Rind zu aufwendig“, sagt Carstensen. Und so entstand die Idee von einem Online-Marktplatz für Frischfleisch. „Ein Stück Land“ ging Mitte 2017 an den Start. Ihr Konzept basiert auf dem Prinzip des Teilens. Erst, wenn genug Bestellungen eingegangen sind, wird ein Tier geschlachtet.

Dieses Modell, das früher keinen Namen brauchte, heißt heute Crowdbutchering. Und immer mehr Start-ups steigen in diesen Markt ein. Ob Ein Stück Land, Kauf ne Kuh, Cowfunding oder Besserfleisch – alle diese Anbieter setzen auf nachhaltige Landwirtschaft und maximale Transparenz zwischen Kunden und dem Lebensmittel Fleisch.

Öffentlich gemacht werden die Rasse des angebotenen Tieres, woher es kommt, was es frisst, wie alt es ist und die Nummer der Ohrmarke. Manche Vermarkter setzen ausschließlich auf alte Nutztierrassen, wie Cowfunding aus Freiburg, manche Unternehmer bieten nur Bio-Fleisch, wie MeinBiorind aus Groß Garz in Sachsen-Anhalt.

Ein Stück Land vermarktet Fleisch sowohl von Bio-Bauern als auch von konventionellen Betrieben. „Konventionell klingt immer so böse“, sagt Carstensen und lacht. „Für uns sind einfach alle Landwirte, mit denen wir kooperieren, gleich gut.“

Oberste Priorität habe die Tierhaltung. Die Rinder werden in Mutterkuhherden ganzjährig auf Weiden in Norddeutschland gehalten. Manche Tiere, wie die Galloways von Carstensens Vater, werden als Landschaftspfleger in Naturschutzgebieten eingesetzt.

Die Rinder werden ganzjährig in Mutterkuhherden auf Weiden gehalten

„Wir sehen die anderen Anbieter nicht als Konkurrenten, wir alle können gut nebeneinander existieren“, sagt Carstensen. Auch er weiß, dass das Wachstumspotential der nachhaltigen Online-Vermarkter endlich ist. Um die faire Vermarktung zu gewährleisten, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Für Carstensen sind das unter anderem die Anfahrtswege zum Schlachter von maximal einer Stunde. „Es war nicht leicht eine kleine, lokale Schlachterei zu finden, die unseren Vorstellungen entsprechend arbeitet“, erzählt Carstensen. In dem Partnerbetrieb in Kalübbe bei Plön wird das Fleisch abgehängt und reift, bevor es zerlegt, abgepackt und etikettiert wird. Waren am Anfang die Reaktionen der Landwirte noch verhalten, wollen nun immer mehr mit Ein Stück Land kooperieren, denn die Vermarktung lohnt sich für die Betriebe. „Irgendwann müssen wir einen zweiten Schlachter suchen, aber das wird schwierig.“

Wie die anderen Anbieter setzen auch Carstensen und Kypke auf die vollständige Vermarktung der Tiere. In die Pakete wandern nicht nur Filets sondern auch Hackfleisch, Gulasch und Rouladen. Innereien werden an ein Hundefutter-Start-up verkauft, die Knochen zu Brühe verarbeitet. „Nur die Felle können wir bisher nicht verwerten“, sagt Carstensen.

Neben Rindfleisch bietet das Paar, das auf dem Land nördlich von Hamburg wohnt, auch Hühner-und Schweinefleisch an. Auf der Suche nach robusten Schweinerassen sind sie auf die Bentheimer Landschweine gestoßen, eine alte, fast ausgestorbene Nutztierrasse.

Was Carstensen und Kypke nicht online vermarkten, verkaufen sie in ihrem Hofladen in Kayhude in Schleswig-Holstein. Vor Kurzem haben sie nebenan auch ein Restaurant eröffnet. „Das funktioniert alles als Symbiose.“ Mittlerweile läuft das alles so gut, dass Hinrich seinen Job als Bauingenieur gekündigt hat. Lina, gelernte Krankenschwester, hat ihr Jurastudium aufgegeben. Die beiden haben ihren Fleischkonsum eingeschränkt. „Wir haben auch für uns selbst einen Weg gesucht, nachhaltig Fleisch zu konsumieren“, sagt Carstensen. „Und statt nur drüber zu reden, haben wir einfach was gemacht.“