piwik no script img

Es werde grüner

Ein neues Onlineportal zeigt für jedes Bremer Hausdach, wie gut es sich für die Begrünung eignet. Fast auf der Hälfte aller Dächer wären Gärten theoretisch möglich

Von Lotta Drügemöller

Manchmal geht Recherche ganz schön schnell: Das Dach des Hauses in der Pieperstraße, in dem die Bremer taz-Redaktion untergebracht ist, ist so kahl wie weit über 90 Prozent der hiesigen Dächer. Dabei könnten hier auf 227 Quadratmetern sonnenliebende Heidenelke, Walderdbeeren und Bergthymian wachsen – das Flachdach mit einer Neigung von 2,7 Grad hat eine Sonneneinstrahlung von 85 Prozent und ist gut geeignet für eine Dachbegrünung. Jährlich 88,7 Kubikmeter Regen könnten so zurückgehalten werden, bevor sie in Straßen und Kanalisation fließen, und 2.022 Gramm Feinstaub würden gebunden. Kosten würde der Spaß rund 9.000 Euro.

Etwa drei Minuten hat es gedauert, diese Daten zu ermitteln: Die Informationen sind online frei zugänglich im neuen Gründachkataster der Stadt. Alle Bremer Dächer ab zehn Qua­dratmeter Größe, jede Garage, jedes Privathaus und jede Lagerhalle ist dort verzeichnet. So sollen Bürger*innen ohne großen Aufwand checken können, ob eine Begrünung theoretisch sinnvoll ist – vor allem die Neigung des Daches spielt eine Rolle, sie sollte möglichst nicht über 15 und keinesfalls über 30 Grad liegen. Bei etwa 50 Prozent der Bremer Dächer ist das der Fall.

Dazu gibt das Kataster Informationen zu geeigneten Pflanzen für den jeweiligen Standort und zum weiteren Vorgehen. Ob die Statik und der Zustand des Daches die Anpflanzung dann tatsächlich zulassen, ist noch eine andere Frage und muss von den Eigentümer*innen selbst geprüft werden. „Wir wollen überhaupt erst einmal das Interesse wecken“, sagt Ulrich Gellhaus vom Geoinformations- Amt.

Der Sinn von Dachbegrünung ist vielseitig: Die bepflanzten Dächer können Feinstaub filtern, bieten Insekten Lebensraum und kühlen ihre Umgebung ab. Vor allem aber sollen die Gründächer helfen, das Starkregenproblem zu lösen, das sich mit dem Klimawandel verschärft. Wenn in kurzer Zeit viel Regen fällt, kann auch die recht großzügige Bremer Kanalisation die Wassermassen nicht schnell genug aufnehmen. Die Lösung sind möglichst viele Flächen, auf denen Regen versickern kann – in dicht bebauten Städten eben auch auf Dächern.

Für den Einzelnen rechnet sich das Anlegen eines Gründachs weniger: Über eine Begrünung des Beispielhauses in der Pieperstraße könnte der Eigentümer jedes Jahr 100 Euro an Regenwassergebühr sparen – die Kosten lägen aber bei rund 9.000 Euro, für eine intensive Bepflanzung mit tieferer Erdschicht sogar bei mindestens 15.900 Euro.

Gefördert wird das Gründach von der Stadt mit bis zu 30 Prozent der Kosten. Jens Tittmann, Sprecher von Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne), wirbt zudem damit, dass man mit der Investition auch sein eigenes Haus vor Überschwemmung schütze; Schaefer selbst lobt das bessere Raumklima und Bernd Schneider, der in der Umweltbehörde für Abwasser zuständig ist, erwähnt, dass die Begrünung auch das Dach darunter schütze. „Aber erst mal sind hier natürlich ökologisch denkende Menschen angesprochen“, sagt er.

Sprich: Man begrünt aus Überzeugung. Wie viele Eigentümer sich so zu einer Investition locken lassen, ist fraglich. In Oldenburg, wo man schon seit 2017 mit einem Gründachkataster arbeitet, hat man seitdem noch keinen großen Anstieg der Dachbegrünung feststellen können. Allerdings gibt es dort das entsprechende Förderprogramm auch erst seit wenigen Monaten.

„Erstmal sind natürlich ökologisch denkende Menschen angesprochen“

Bernd Schneider, Umweltbehörde

Bei Photovoltaik sind die Voraussetzungen andere: Die Investition hier amortisiert sich mit den Jahren. Zeitgleich mit dem neuen Gründachkataster wurde nun auch das bestehende Solarkataster erneuert. Schon seit 2012 konnten Bremer*innen sehen, wie gut sich ihr Dach für Photovoltaik eignet, wie viele Kilowattstunden erzeugt werden, und wann sich die Anschaffung rechnet. Doch die Daten waren veraltet. Allein gefällte Bäume können die Verschattung eines Daches komplett verändern.

Die Daten für beide Kataster hat das Landesamt für Geoinformation bei einer Überfliegung im Jahr 2017 gesammelt, für zusammen 33.000 Euro wurden sie aus den Aufnahmen zusammengestellt. Acht Informationspunkte gibt es pro Quadratmeter, auch verwinkelte Dächer können dargestellt werden. Wer möchte, kann sein Haus aus dem Kataster austragen lassen. Nach Erfahrungen aus dem Solarkataster gibt es dafür aber extrem wenige Anfragen.

Das Dach der Umweltbehörde im Siemens-Hochhaus ist im Übrigen noch nicht begrünt, die Fläche eignet sich auf 322 Quadratmetern aber gut für halbschattenliebende Pflanzen. „Es ist spannend, das zu sehen“, meint die Umweltsenatorin. Das Haus gehört einem Berliner Immobilienfond. „Aber das heißt ja nicht, dass wir uns nicht trotzdem darum kümmern können.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen