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Schutz vor Anschlägen in BerlinSicherheit per Gesetz

Der Innensenator will Vorgaben machen, wie Veranstaltungen im öffentlichen Raum vor Anschlägen geschützt werden müssen.

Welche Sicherheitsvorgaben gelten bei Großveranstaltungen wie hier beim Myfest? Foto: dpa

Berlin taz | Berlin bekommt im nächsten Jahr ein Veranstaltungssicherheitsgesetz. Es soll unter anderem festlegen, welche Sicherheitsanforderungen ein Veranstalter im öffentlichen Raum erfüllen muss. „Wir wollen den Referentenentwurf im ersten Halbjahr ins Abgeordnetenhaus einbringen“, kündigte Klaus Zuch, Abteilungsleiter in der Innenverwaltung, am Donnerstag auf einem Fachsymposium in der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Lichtenberg an. Das Symposium am Jahrestag des Anschlags am Breitscheidplatz wurde schon zum dritten Mal von der Hochschule und der Senatsverwaltung für Inneres und Sport organisiert.

Den Anlass, ein solches Gesetz zu schaffen, gab der Rechtsstreit zwischen dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und dem Betreiber des Weihnachtsmarkts am Schloss Charlottenburg. Gegen die Auflage des Bezirks, Poller auf eigene Kosten aufzustellen, war der Betreibervor Gericht gegangen. Mit Erfolg. „Weder das Grünflächengesetz noch das Straßengesetz kennen die Forderung nach einem Sicherheitskonzept bei Großveranstaltungen“, kommentiert Klaus Zuch das Urteil. „Hier war nun der Gesetzgeber gefragt.“

Zugleich soll das Veranstaltungssicherheitsgesetz die Sicherheitskriterien der Bezirke vereinheitlichen. Das hatte vor einem Jahr schon der grüne Sicherheitsexperte Benedikt Lux gefordert. „Genehmigungen gibt es oft erst kurz vor Beginn einer Veranstaltung. Damit gibt es aber kaum mehr Planungssicherheit“, so Lux damals zur taz.

Kritik hatte auch die landeseigene Kulturprojekte GmbH geübt. „Bei vielen Orten ist es nicht einfach, sie genehmigungsfähig zu bespielen“, hatte Geschäftsführer Moritz van Dülmen der taz gesagt. Van Dülmen wollte zum 100. Jahrestag der Novemberrevolution Barrikaden am Stadtschloss und in Kreuzberg errichten lassen. Doch der bürokratische Aufwand wäre zu groß gewesen, sagte er.

Zuch versicherte nun, dass das Gesetz für Veranstalter „keinen erheblichen bürokratischen Mehraufwand“ mit sich bringen werde. Vielmehr solle es künftig einen Ansprechpartner geben, mit dem alle Voraussetzungen für eine Genehmigung geklärt werden können. Unklar ist aber noch, ob diese Stelle bei den Bezirken angesiedelt oder ob dafür eine eigene Landesbehörde geschaffen werden soll.

Bei vielen Orten ist es nicht einfach, sie genehmigungsfähig zu bespielen

Moritz van Dülmen

Zu Beginn des Symposiums hatte Berlins Innensenator An­dreas Geisel (SPD) gesagt, der 19. Dezember 2016 habe „sich tief ins Gedächtnis der Stadt eingeprägt“. Dass es in den drei Jahren bis heute keinen Anschlag in Berlin gegeben habe, sei auch den Sicherheitsbehörden geschuldet, die gut aufgestellt seien. „Aber Berlin hatte auch Glück“, so Geisel.

Die Szenarien für Anschläge, so der Innensenator, gingen heute nicht mehr von einem „großen Knall“ aus, sondern von „Anschlägen mit kleinen Mitteln“. Das habe Auswirkungen auf Veranstaltungen wie die zum 1. Mai, den Karneval der Kulturen, das Lollapalooza Festival oder den Berlin-Marathon. Hier gehe es um die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. „Wenn wir nur die Sicherheitsbehörden fragen würden, kämen wir bei der Green Zone in Bagdad raus“, meinte Geisel. „Das wollen wir nicht.“

Auch so ein Fall: der Karneval der Kulturen mit mehreren hunderttausend Besuchern Foto: dpa

Aus Sicht der Wissenschaft wies Psychologin Birgitta Sticher von der HWR darauf hin, wie wichtig bei unvorhergesehenen Ereignissen Informationen und Anweisungen seien. „Auch Menschen, die den Sicherheitskräften sonst kritisch gegenüberstehen, sind in solche Situationen bereit, sie zu befolgen“, so Sticher.

Aus den USA berichtete Lieutenant Branden Clarkson über den Massenmord in Las Vegas, bei dem 2017 ein Schütze aus dem 32. Stock eines Hotels mit halbautomatischen Waffen 58 Besucher eines Konzerts tötete. Selbst gestandene Polizeibeamte und Feuerwehrleute im Publikum rieben sich bei der Sichtung des Videomaterials die Augen.

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2 Kommentare

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  • Hier hätte ich mir sehr gewünscht, dass Verantwortliche für Veranstaltungstechnik mal zu Wort kommen. Es gibt durchaus ein bereits jetzt schon adaptierbare Maßnahmen aus dem "Stand der Technik", die in einem Sicherheitskonzept verarbeitet werden müssen und von den BOS abgesegnet werden. Dazu braucht es mMn kein weiteres Gesetz. Dieser Typ Veranstalter hatte ganz klar nur seine finazilellen Nachteile im Blick, nicht aber die Sicherheit seiner Gäste. In der Größenordnung Weihnachtsmarkt ist dieser unqualifizierte Typus generell verpflichtet, einen fachlich qualifizierten VfV zu benennen, der seine Verpflichtungen aus dem "Stand der Technik" und Vorschriften mit Gesetzescharakter wahrnehmen muss. Vielleicht sollte man lieber da ansetzten, diese Auswahlverantwortung strikter einzufordern und zu gestalten. Hierzu hätte ein VfV auch entsprechend bessere Auskünfte und Sachverhalte geben können, als diese Popel. Schade!

    • @Maiskolben:

      sry für die Rechtsssschreipfehler!