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Das war auchKrieg der Therme

Glücksburgs Bürgermeisterin lobte 75 Euro pro Tag für Streikbrecher aus

Einen Arbeitskampf wie diesen hat es selten gegeben, alle Geschütze wurden aufgefahren: Um einen Streik in der „Fördeland Therme“ im schleswig-holsteinischen Glücksburg zu verhindern, hatte das Unternehmen sogar eine „Streikbrecher-Prämie“ ausgelobt. Besonders pikant: Unterschrieben war das unmoralische Angebot von Kristina Franke – die ist nicht nur Geschäftsführerin der Therme, sondern auch Bürgermeisterin von Glücksburg. Seit Dienstag steht nun fest: Den Kampf gewonnen haben die Mitarbeitenden.

Denn die haben sich nicht korrumpieren lassen. „Der größte Teil der Beschäftigten hat gestreikt, die haben den Laden stillgelegt“, sagte Ver.di-Gewerkschaftssekretär Matthias Pietsch. Vorausgegangen waren lange Tarifverhandlungen aufgrund denkbar mieser Löhne der 53 Thermen-Mitarbeitenden. Die verdienten dort zwischen 9,18 Euro – also ein Cent unter dem gesetzlichen Mindestlohn – und 9,50 Euro pro Stunde, Teamleitungen bekamen zwischen 10 und 11,50 Euro. Dabei ist die Therme ein Tochterunternehmen der Stadt, das als solches „auch nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlen sollte“, sagte Pietsch. Die im Frühjahr aufgenommenen Tarifverhandlungen seien aber immer wieder am Widerstand der Geschäftsleitung gescheitert, „dabei sind wir ihr schon weit entgegengekommen“.

Also wurde gestreikt, zum ersten Mal am Mittwoch vor einer Woche für vier Stunden. Tags darauf fanden die Beschäftigten einen Aushang vor: Darin lobte die Geschäftsleitung eine Sonderzahlung von 75 Euro pro Tag aus – für alle, die einem weiteren Streikaufruf der Gewerkschaft „nicht nachkommen und damit zur Aufrechterhaltung des Betriebes beitragen“.

„Empörend“, sagte dazu Pietsch. Immerhin aber sei die Geschäftsleitung vom Streik „beeindruckt“ gewesen und habe den MitarbeiterInnen Einzelverträge mit besseren Konditionen angeboten – ein Konstrukt, das zwar nichts mit einem Tarif zu tun hat, aber Verhandlungsbereitschaft signalisierte. Also wurde am Dienstag erneut verhandelt, diesmal mit Erfolg. Mindestens elf Euro pro Stunde bekommen die Thermen-Angestellten ab sofort, ab 2021 werden daraus 12,50 Euro. Auch die anderen Löhne sowie Wochenend- und Feiertagszuschläge werden angeglichen.

Und über die Streikbrecher-Prämie werfen die Glücksburger vor lauter Glück den weihnachtlichen Mantel des Schweigens.

Simone Schnase

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