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: 28-mal „lebenslang“ nach Massaker auf Philippinen

Zehn Jahre nach dem politisch motivierten Ampatuan-Massaker mit 58 Toten: Ein Gericht verurteilt mehrere Mitglieder eines mächtigen Familienclans zu langen Haftstrafen

Das Neue

Ein philippinisches Sondergericht hat am Donnerstag in der Hauptstadt Manila 8 Führer des Ampatuan-Clans und 20 ihrer Helfer jeweils zur Höchststrafe von 40 Jahren Haft für ein Massaker im November 2009 verurteilt. Damals waren in der südlichen Provinz Maguindanao 58 Personen, darunter 32 Journalisten, von der Privatarmee der Ampatuans erschossen worden. Von den ursprünglich 197 Angeklagten sind 8 einschließlich des früheren Clanchefs verstorben, mehr als 80, darunter Ex-Soldaten und -Polizisten, sind flüchtig, 11 auf Kaution frei. Geurteilt wurde nun über 101 Personen: mehr als 50 wurden freigesprochen, darunter vier Clanmitglieder. Neben den 28 Hauptangeklagten bekamen 15 Personen Haftstrafen von mehr als sechs Jahren. Während des jahrelang verzögerten Prozesses wurden drei Zeugen ermordet.

Der Kontext

Das Massaker geht auf einen Machtkampf auf der südlichen Insel Mindanao zurück. Der mächtige Clanchef Andal Ampatuan senior wollte seinen Gouverneursposten seinem Sohn Andal Ampatuan junior übertragen. Deshalb sollte es bei Wahlen im Mai 2010 keinen Gegenkandidaten geben. Die Ampatuans herrschten seit Jahren in der Provinz Maguindanao und waren Verbündete der damaligen Staatspräsidentin Gloria Macapagal Arroyo, die ihnen eine Privatarmee zur Abwehr muslimischer Rebellen genehmigt hatte. Trotz Drohungen wagte der Politiker Ismael Mangudadatu zu kandidieren und schickte seine Frau, mehrere Angehörige, Anwälte sowie 32 Journalisten als Begleiter zur Registrierung. Alle plus zufällige Passanten wurden getötet, Frauen vorher vergewaltigt. Andal Ampatuan jr. soll viele eigenmächtig erschossen haben.

Die Reaktionen

Angehörige der Opfer haben das Urteil begrüßt, fürchten sich aber vor den noch Flüchtigen. Auch Salvador Panelo, der Sprecher von Staatspräsident Rodrigo Duterte und selbst früher Rechtsberater der Ampatuans, begrüßte das Urteil. Phil Robertsen von Human Rights Watch forderte, das Urteil müsse die Regierung veranlassen, endlich die staatliche Unterstützung für Privatarmeen zu beenden. Shawn Crispin vom in New York ansässigen Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) erklärte: „Obwohl wir bedauern, dass es zehn Jahre gedauert hat, hoffen wir, dass dieses wegweisende Urteil den Kreis der Straflosigkeit für Morde an Journalisten auf den Philippinen durchbricht.“ Die Ampatuans, die auf nicht schuldig plädiert hatten, erwägen eine Berufung.

Die Konsequenzen

Es ist zwar ein Fortschritt, dass jetzt Clanchefs verurteilt wurden. Aber an der Macht der Clans, deren Privat­armeen, der verbreiteten Straflosigkeit und den vielen Morden an Journalisten dürfte das nichts ändern. Dazu bedürfte es des politischen Willens, der Stärkung der Justiz, eines sicheren Zeugenschutzes sowie konsequenter Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen. Angesichts der täglichen Hinrichtungen unter Präsident Duterte ist gerade das Gegenteil der Fall.

Sven Hansen