berliner szenen
: Badeausflug mit älterem Herrn

Ich dachte an den Ausflug, den ich mit Carolin gemacht hatte. Ich war weit rausgefahren, mit dem Fahrrad, bis nach Karlshorst. Es war ein heißer Sommertag, ich schwitzte unablässig.

Ich fühlte mich wacklig, ein älterer Herr mit Kreislauf auf einem schwarzen Hollandrad, der mit einer jungen Frau zum Ausflug an den See verabredet war und dem der Schweiß nur so aus der Kappe suppte. Aber der kleine Wald hinter Rummelsburg bot Abkühlung.

Nur wenig später saß ich bei ihr. Ich saß matt und fertig in ihrer Küche, während sie ihre Badesachen packte. Sie führte mir ein Sommerkleid vor, das mir gefiel. C. hatte etwas schwere Beine, aber sie gefiel mir. Sie war unsicher und zögerlich; sie litt unter den Minderwertigkeitskomplexen einer Tochter aus einfachen Verhältnissen, die ihre Klasse zu verlassen versuchte, weil sie schlauer war als ihre Eltern und die meisten anderen um sie herum. Und sie hatte einen prototypischen Perfektionismus, wegen dem sie sich immer wieder selbst im Weg stand. Sie war selten zufrieden, mit sich, mit der Situation, mit den anderen. Mit Gleichaltrigen konnte sie nicht. Sie hatte etwas Sprödes, sie erfand sich Krankheiten, wenn sie nicht mehr weiterwusste, sie litt gelegentlich unter Depressionen, und mit ihr Sex zu haben, war ein wenig, wie mit Kim Novak zu schlafen.

Ich saß in ihrer Küche und wusste nicht, was ich sagen sollte. Warum war es so schwer, die Distanz zwischen uns aufzulösen? Ein ­Marienkäfer schlug von außen gegen die Fensterscheiben. Die Eiskönigin in der Dunkelheit einer Vorstadtküche: Sie nahm ihre Strandtasche und nickte mir zu, und kurz darauf liefen wir durch die sengende Hitze zum Biesdorfer Baggersee.

René Hamann