im haifischbecken
: Haste mal ne Mark für Punk und Rave?

Das Archiv der Jugendkulturen muss 2020 umziehen – und ist auf Crowdfunding angewiesen

Die Hilferufe mehren sich: Ein Café hier, ein Buchladen da, ein Kindergarten oder gleich ein ganzes Mietshaus – überall in der Stadt fürchten MieterInnen und Gewerbetreibende um ihre Existenz. Sie werden hinausgentrifiziert, gekündigt, zwangsgeräumt. Und immer mehr von ihnen wehren sich. Wir erzählen ihre Geschichten. Auch betroffen? Dann schreiben Sie gerne an haifischbecken@taz.de.

Die kleinen Fische: Seit 1998 existiert in Berlin das Archiv der Jugendkulturen mit einer Präsenzbibliothek, in der bis zum letzten Flyer alles über Raver, Waver, Cosplayer und Psychobillies gesammelt wird, über Metal-Fans und Punks, Rocker, Hooligans und Skinheads. Die knapp 20 MitarbeiterInnen und zusätzliche ReferentInnen geben Workshops für Schulklassen, organisieren Projekte, Vorträge und Ausstellungen. Von Anfang an arbeitet das Archiv auf dem Hof der Bockbrauerei in der Kreuzberger Fidicinstraße, aber 2015 wurde die Brauerei an die Bauwert AG verkauft und es gab zunehmend häufig Ankündigungen, dass man ausziehen müsse. „Am Ende haben wir es dann aber doch noch gut getroffen“, so Daniel Schneider, Projektleiter der Abteilung Pop- und Subkulturarchiv International. „Während viele andere wie Weinhandlungen, eine Klavierwerkstatt, eine Sozialberatungsstelle und ein Schlüsseldienst rausmussten, dürfen wir zu vergleichbaren Konditionen umziehen.“ Bislang hat Archiv 440 Quadratmeter bespielt, die zukünftigen Räume werden etwa ein Drittel größer sein. Weil das Archiv nur von Mitgliederbeiträgen und der Förderung einzelner Projekte lebt, hat es Anfang November ein Crowdfunding gestartet. Ziel ist, bis Frühjahr 2020 mindestens 45.000 Euro zu sammeln, um die kommenden Mieten finanzieren zu können.

Der große Fisch: Zuletzt ging die Bauwert AG durch die Presse, weil ihr Neubauprojekt auf dem Friedrichswerder in Mitte schwere Schäden an der benachbarten Schinkel-Kirche verursacht hatte. Nach Kauf der Bockbrauerei ließ die Firma verkünden, dass sie das Gelände mit Luxuswohnungen und Tiefgaragen bebauen wolle. Den vorläufigen Baubescheid bekam die Bauwert AG allerdings nur, weil sie einen Teil des Geländes an die landeseigene Howoge verkaufte, die dort 50 Apartments für Studierende, 30 Wohnungen zu 6,50 Euro Einstiegsmiete sowie eine Kita errichten will. Zudem soll eine Genossenschaft gemeinsam mit der Stiftung Edith Maryon preisgünstige Gewerberäume durch Erbbaupachtverträge absichern. Henning Hausmann, Pressesprecher der Bauwert Aktiengesellschaft sagt dazu: „Im Rahmen unserer Zusagen, dass soziale Einrichtungen weiterhin auf dem Gelände verbleiben können, haben wir dem Archiv der Jugendkulturen eine Ersatzfläche gemäß deren größeren Flächenwunsch in dem Bestandsgebäude verschafft, die für diesen Mieter reserviert ist. Diese Fläche befindet sich in dem Bauteil, der gemäß unseres Entwicklungskonzeptes an eine Genossenschaft/Stiftung übertragen werden soll. Die subventionierte Miete für das Archiv der Jugendkulturen ist als sozial und moderat zu bezeichnen.“

Wer frisst hier wen? Das Archiv der Jugendkulturen kann zwar auf dem Gelände bleiben und sogar in größere Räumlichkeiten ziehen, aber die Mietkosten werden steigen. Auch, wenn es nicht gefressen wird, braucht es Hilfe. Spenden kann man auf gofundme.com/jugendkulturen. Susanne Messmer