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Die WahrheitProzente, bis die Eier wackeln

Ein Anruf eines Finanzberaters aus seinem Flugzeug. Das Super-Top-Spitzen-Offer-Angebot zum Tag nach der Wahl in good old UK.

Weich gebettet in der Business Class: der Finanzberater auf dem Weg nach Frankfurt/Main Foto: reuters

Ein ganz normaler Tag in der Wahrheit-Redaktion. Die Agenturticker rattern vor sich hin. Die Briten haben gewählt. Boris Johnson hat wohl die Wahl gewonnen und wird erneut Pre­mier­minister Großbritanniens. Da klingelt plötzlich das Telefon.

Die Wahrheit. Ja, bitte?

Guten Tag, Gebhardt. Von Gebhardt, King und Sandberg. Unser Business ist Ihr Gewinn.

Unser Business ist was …?

Unser Business ist Ihr Gewinn.

Ach, Herr Gebhardt! Wir hatten doch schon mal das Vergnügen. Vor Jahren. Aber Sie rufen nicht wieder aus dem Auto an?

Äh, nein! Herr … äh, Spirkel. Bin aufgestiegen. Hahaha. Bin gerade zwischen London und Frankfurt unterwegs. Sitze in unserem Learjet.

Im Flugzeug?

Exakt! Geile Maschine! Gehört Gebhardt, King und Sandberg. Unser Business ist Ihr Gewinn.

Der muss ja enorm sein!

Können uns nicht beklagen, Herr Dinkel. Und auch für Sie habe ich wieder aus unserem Invest-Portfolio ein Top-Cashflow.

In London?

Jetzt Frankfurt. Wir Businessleute fliehen alle aus der City. Hätte auch nicht gedacht, dass ich mal Flüchtling werde.

Flüchtling? Vor dem Brexit?

Die Briten drehen total durch, Herr Wiesel.

Also kein Top-Cashflow mehr?

Hahaha. Der war gut! Unser Cash fließt natürlich weiter. Und Sie bekommen von uns eine Highend-Performance-Charge von zehn Prozent.

Zehn Prozent?

Na gut: zwölf!

Trotz Brexit?

Wegen Brexit! Ist doch alles wegen Brexit!

Sie spüren also nichts mehr von der Finanzkrise?

Welche Finanzkrise? In Frankfurt wird unser Business noch mehr Gewinne abwerfen. Herr … äh, Kowaleski, hören Sie zu! Hier kommt mein Super-Top-Offer-Angebot zum Tag: Fünfzehn Prozent nach hinten raus.

Nach hinten?

Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr … äh, Socke! Wir wollen alle leben. Und leben lassen. Hahaha. Und bei den Briten geht’s gerade drunter und drüber … verdammt! Nicht jetzt! Nicht wieder eine dieser Scheiß-Turbulenzen! Oooaaaah … Der Pilot ist ein Russe. War lange in Syrien. Denkt jedes Mal über dem Kanal, er muss einen auf Tiefflieger machen …

Tiefflieger? Was ist denn da los in Ihrem Jet, Herr Gebhardt?

Ja, hier Gebhardt. Von Gebhardt, King und Sandberg. Unser Business ist Ihr … uuuuurrrgghh.

Also bei Ihnen geht ’s ja gerade ganz schön turbulent zu. Geht es Ihnen gut?

Exakt! Alles halb so wild. Musste nur kurz kotzen. Diese Briten sind schuld.

Ach, ich dachte, der Pilot.

Ja, diese Scheiß-Russen! Sind sowieso an allem schuld.

Auch an Ihrer Flucht aus London?

Aber Sie wissen doch: Eine Krise ist immer auch eine Chance. Ich hau Ihnen die Prozente raus, bis Ihnen die Eier wackeln. Nur für Sie, Herr … äh, Wortmann: zwanzig Prozent. Mein absolutes Maximum-Project-High-Heel-­Offer-Turn … äh …

Leider habe ich gar keine Kohle.

Kohle … hahaha. So habe ich früher auch geredet. Hab ja auch mal klein angefangen. Damals bei Erikson & Abel. Winzige Klitsche. Kaum Aufträge. Den ganzen Tag am Telefon. Kunden schrubben. Jeden Zahnarzt anklingeln. Und allen Fantasie-Renditen versprechen. Hahaha. Das waren noch Zeiten. Ist ja zum Glück heute vorbei, Herr … äh, Winkler. Heute für Sie nur Spitzenprozente im Power-Portfolio mit Touchdown.

Mit Touchdown?

Exakt! Wie im Football. Also dem richtigen: American. Wo Männer noch auf Männer treffen. An der Line of Scrimmage.

Also an der Gedrängelinie?

Sie kennen sich aus, Herr Brady. Sie sind ein ganz Ausgebuffter. „Own it, own it, you just own it.“ Nur für Sie jetzt mein letztes Angebot: 25 Prozent! Ach, ich leg noch was drauf! 25 und Dreiviertel. Allerletztes Angebot.

Und dann der Touchdown?

Exakt! Ich lande jetzt. Muss das Telefon ausschalten. Ich melde mich dann wieder, wenn ich unten bin. Bis gleich, Herr … äh, Gebhardt.

Aber, Herr Gebhardt, das sind doch Sie selbst, Herr Gebhardt!

Exakt. Guido Gebhardt. Von Gebhardt, King und Sandberg. Unser Business ist Ihr Gewinn.

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