Die Wahrheit: Die Bahn ist das Ziel
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Die Leserschaft darf sich an einem Poem über ein bekanntes Transportunternehmen erfreuen.
Wenn du das Stehn im Stau verfluchst
und echte Abenteuer suchst,
hier die Idee: der ICE!
Buch bei der Deutschen Bahn AG.
Denn völlig anders als im Stau
ist hier der Weg das Ziel. Genau:
Der Weg beginnt am Bahnsteig gleich
recht spannend und facettenreich.
Da ist die Lautsprecherdurchsage,
und dann die interessierte Frage
von einer Dame an der Seite:
„Wie viel Verspätung hat der heute?“
Und unversehens bist du schon
in trauter Konversation
mit einer wunderschönen Frau.
Sei ehrlich, hast du das im Stau?
Dann sitzt du bald im Großraumwagen.
Ja, es kommt vor an manchen Tagen,
dass man es nur im Mantel aushält,
wenn im Abteil die Heizung ausfällt.
Kommt vor, dass mal im Klo kein Licht ist
und dass der Speisewagen dicht ist.
Na und? Du, das erhöht doch prompt
die Spannung, was da noch so kommt.
Vielleicht steht gleich der Zug im Gleis
in schöner Landschaft, und wer weiß,
ob du den Anschluss nicht verpasst.
Genieß dann diese nette Rast.
Denn jeder Bahnhofsautomat
hält reichlich Köstlichkeit parat.
Auch lohnt es sich in jedem Falle,
die Konstruktion der Bahnhofshalle
sich anzuschaun, ganz ohne Eile.
Dein Anschluss braucht ja noch ’ne Weile.
Kann sein, er kommt heut gar nicht mehr:
ein Triebwerksschaden. Bitte sehr,
so lernst du unerwartet schnell
die Stadt noch kennen plus Hotel.
Sag selbst, ist eine solche Reise
nicht spannender als beispielsweise
das stundenlange Stehn im Stau?
Genau!
Die Wahrheit auf taz.de
Leser*innenkommentare
05158 (Profil gelöscht)
Gast
Das Eisenbahngleichnis(1931)
Wir sitzen alle im gleichen Zug
und reisen quer durch die Zeit.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir fahren alle im gleichen Zug
und keiner weiß, wie weit.
Ein Nachbar schläft; ein andrer klagt;
ein dritter redet viel.
Stationen werden angesagt.
Der Zug, der durch die Jahre jagt,
kommt niemals an sein Ziel.
Wir packen aus, wir packen ein.
Wir finden keinen Sinn.
Wo werden wir wohl morgen sein?
Der Schaffner schaut zur Tür herein
und lächelt vor sich hin.
Auch er weiß nicht, wohin er will.
Er schweigt und geht hinaus.
Da heult die Zugsirene schrill!
Der Zug fährt langsam und hält still.
Die Toten steigen aus.
Ein Kind steigt aus, die Mutter schreit
Die Toten stehen stumm
am Bahnsteig der Vergangenheit.
Der Zug fährt weiter, er jagt durch die Zeit,
und keiner weiß, warum.
Die erste Klasse ist fast leer.
Ein feister Herr sitzt stolz
im roten Plüsch und atmet schwer.
Er ist allein und spürt das sehr
Die Mehrheit sitzt auf Holz
Wir reisen alle im gleichen Zug
zur Gegenwart in spe.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir sitzen alle im gleichen Zug
und viele im falschen Coupé.
Erich Kästner
Lowandorder
@05158 (Profil gelöscht) Liggers. Das hat der Erich fein gesagt.
Doch sei auch dieses hier beklagt.
Ringelnatz, Joachim (1883-1934)
Arm Kräutchen
Ein Sauerampfer auf dem Damm
Stand zwischen Bahngeleisen,
Machte vor jedem D-Zug stramm,
Sah viele Menschen reisen.
Und stand verstaubt und schluckte Qualm
Schwindsüchtig und verloren,
Ein armes Kraut, ein schwacher Halm,
Mit Augen, Herz und Ohren.
Sah Züge schwinden, Züge nahn.
Der arme Sauerampfer
Sah Eisenbahn um Eisenbahn,
Sah niemals einen Dampfer.
kurz - & Wenn ich das richtig seh.
Noch viel viel wenjer unterm - ICE.
05158 (Profil gelöscht)
Gast
@Lowandorder Wunderbar diese Adaption.
Ein Tränchen(der Freude) rinnt!
(Das ist das Gute für sie, pfeif auf irgendwelche Zeichenzahlen)
;-)
Lowandorder
@Lowandorder &Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - die Liebe
” Ich sah in kommen, diesen Zug
Ja, Ringelnatz, der war so klug...
Kürzeste Liebe
Blöde Bauern, die den biedern
Gruß der Bürger nicht erwidern,
Menschen, die mit halbem Nicken
Danken, ohne aufzublicken,
Prüde, scheue Frauen, leise
Kinder, würdevolle Greise --
Aber wenn an Dorf und Feld und
Wald vorbei dein Schnellzug braust,
Du aus deinem Wagen schaust:
Ja, dann stehen - stehn auch dies
Ganz Dir zugewandt am Hange,
Vor dem Stalltor, auf der Wiese -,
Und sie winken. Winken lange.
Grüßen voll und grüßen frei
Dich und Deine Fahrtgenossen.
Und die reinste Liebe wird vergossen
Im Vorbei.“
kurzfrank&frei - Ja - so isses - du 🥚