: Mental extremes Finale
Die erste Auflage des reformierten und viel kritisierten Davis Cup gewinnt das spanische Tennisteam.Bemerkenswert ist wieder die Vorstellung von Rafael Nadal, unvergessen aber bleibt ein anderer Auftritt
Aus Madrid Doris Henkel
Die Caja Mágica, das Mehrzweckstadion in Madrid, präsentierte sich in Gelb und Rot, als die Spanier in Madrid zum ersten Mal nach acht Jahren wieder einen Davis Cup gewannen. Fast hätte man meinen können, dies sei der alte Davis Cup in seinem Glanz und nicht die reformierte neue Version. Doch Gefühle kennen keine Begriffe wie alt und neu. Die Sieger sahen den Titel als ersehnten wie verdienten Lohn einer Mannschaft um den überragenden Mann, Rafael Nadal. Einer Mannschaft, die diesmal aber auch etwas schaffte, was noch wertvoller war; sie gab Roberto Bautista Agut die Kraft zu einem unvergesslichen Auftritt, nur ein paar Tage nachdem sein Vater gestorben war.
Donnerstagmorgen war Bautista nach Hause gefahren, weil es dem Vater sehr schlecht ging. Er war dabei, als sein Vater starb; seine Mannschaft ließ an diesem Tag bei der Aufstellung vor dem Spiel symbolisch einen Platz frei. Am Tag des Halbfinales kehrte er nach Madrid zurück, saß auf der Bank, als Nadal und Feliciano López das entscheidende Doppel gegen die Briten gewannen, und keine 24 Stunden später stand er wieder auf dem Platz gegen den jungen Kanadier Felix Auger-Aliassime.
Als er später erzählte, wie er diese schweren Tage erlebt hatte, sprach er ruhig, während sich die Blicke der anderen im Nirgendwo verloren. Als er am Samstag aus Castellon zurückgekommen sei, habe er nicht daran gedacht zu spielen, sagte er, er habe nur das Team unterstützen wollen. „Aber als wir uns dann für das Finale qualifiziert hatten, hatte ich mehr und mehr das Gefühl, ich würde gern spielen. Ich hatte das Glück, mit meinem Vater die letzten Minuten seines Lebens verbringen und mich verabschieden zu können, und mein Vater hätte mir eine Ohrfeige gegeben, wenn ich zu Hause geblieben wäre.“
Es gab viele Momente an diesem Abend, in denen er Tränen in den Augen hatte, aber auch Nadal wirkte mächtig bewegt nach einer körperlich und mental extrem anstrengenden Woche. Er gewann bei der Premiere der Endrunde alle acht Spiele in Einzel und Doppel, auch das knifflige letzte gegen Denis Shapovalov, wofür er vom Kollegen López mit dem Titel MVP belohnt wurde – most valuable player. Nadal selbst sah es anders. „Ja, ich hab meine acht Spiele gewonnen, aber Roberto war der entscheidende Mann bei diesem Titel. Was er getan hat, ist übermenschlich. Das nehme ich als Beispiel für den Rest meines Lebens.“
Nadal ist indes zweifellos in eigenen Sphären unterwegs. Von 30 Begegnungen im alten und neuen Davis Cup verlor er nur die erste, mit 17 im Frühjahr 2004 gegen den Tschechen Jiří Novák. Doch es sind nicht nur die Siege, sondern vor allem die Leidenschaft, mit der er sein Team immer wieder mitreißt. Für vieles, was Nadal leiste, gebe es keine Worte, sagt Feliciano López. „Aber ich kann Ihnen sagen, dass er ein Super-Hero ist.“
So gewannen die Spanier bei diesem ersten Davis Cup der neuen Zeit, bei dem es viel Kritik, aber auch positive Ansätze gab. In den ersten Tagen dominierte das Gefühl, das Neue habe mit dem Alten nichts mehr zu tun und verdiene das Markenzeichen nicht; leere Ränge, Nachtschichten bis morgens um vier, undurchsichtige Regeln. Der Präsident des Internationalen Tennisverbandes, der Amerikaner David Haggerty, und Spaniens Fußballstar Gerard Piqué, der mit seiner Unternehmensgruppe Kosmos die Rechte erworben hatte, gaben in ihrer Bilanz zu, manche Dinge seien verbesserungswürdig. Wenig überraschend versicherten sie aber auch, die Woche in Madrid sei ein fantastischer Start gewesen und mache Lust auf mehr; 2020 folgt an gleicher Stelle der nächste Versuch. Das Finale jedenfalls, in dem Spanien und Kanada um die berühmte Trophäe spielten, fand vor ausverkaufter Zauberkiste und in einem Rahmen statt, der dem Ereignis angemessen war.
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