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Studie zur IndustrietransformationDas Jahrzehnt des Stahls

Die Stahl-, Chemie- und Zementindustrie liefert Grundstoffe für die Wirtschaft. Sie kann jobverträglich CO2-neutral werden, zeigt eine Studie.

Schwer, aber nicht unmöglich: Auch die Stahlindustrie kann CO2-frei werden Foto: dpa

Berlin taz | Die besten Technologien für den Klimaschutz bringen nichts, wenn die Grundstoffe zu ihrer Herstellung nicht ökologisch sind. Der Thinktank Agora Energiewende und das Wuppertal Institut sind beide dafür bekannt, für die ökologische Transformation der Wirtschaft zu streiten – und wenig davon zu halten, wenn die Industrie vor Arbeitsplatzverlusten warnt.

Nun aber schreiben ausgerechnet die beiden Institute: „Weil Deutschland bisher keine dezidierte Klima- und Innovationspolitik für die Grundstoffindustrie verfolgt, droht ein massiver Investitionsrückgang in diesem Wirtschaftszweig mit seinen 550.000 Beschäftigten.“ Frei übersetzt: Allein schaffen die Unternehmen den Umstieg nicht, es braucht Steuergelder, sonst bedroht der Klimaschutz eine halbe Million Arbeitsplätze. Werden Chemie, Stahl und Zement im Ausland produziert, ist für den Klimaschutz nichts gewonnen, so die Studie.

Die gute Nachricht dabei ist, dass die Technologien da sind, um all diese Stoffe ohne Klimaschäden zu produzieren. Die Studie listet sie explizit auf: So lässt sich etwa Wasserstoff mit erneuerbaren Energien herstellen, der dann bei der Stahlherstellung Koks, also Kohle, ersetzt und die Herstellung fast CO2-frei macht. Zur Geschichte gehört aber auch, dass eine Technologie, die Umweltaktivist*innen oft bekämpfen, als „unausweichlich“ bezeichnet wird: die Abscheidung und unterirdische Speicherung von CO2, CCS genannt. Das sei für eine klimafreundliche Zementherstellung unausweichlich, falls es keinen Durchbruch bei alternativen Baustoffen gebe.

Produktionsanlagen für Stahl oder Zement werden bis zu 70 Jahre genutzt – weil in der nächsten Dekade viele in Deutschland ersetzt werden müssen, sehen die Autor*innen der Studie eine große Chance, dann auf CO2-arme Produktion umzusteigen. Allerdings scheint das ohne massive staatliche Förderung nicht möglich, etwa bei der Erzeugung von Wasserstoff mit erneuerbare Energien. Auch eine Klima-Umlage auf Stahl, Aluminium und Zement regt die Studie an. Unternehmen könnten sich zudem um Zuschüsse bewerben, wenn sie CO2-arme Schlüsseltechnologien einsetzen: Der günstigste Anbieter bekommt dann das Geld.

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4 Kommentare

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  • Dem Einleitungssatz widerspreche ich:



    "Die besten Technologien für den Klimaschutz bringen nichts, wenn die Grundstoffe zu ihrer Herstellung nicht ökologisch sind." Am Beispiel von Windkraftanlagen wurde gezeigt, dass diese in ca. drei Monate die für ihre Herstellung benötigte Energie wieder einspielen. Selbst wenn die Herstellung mit fossilen Energien erfolgt, wird dann binnen 20 Jahren etwa das 80-fache an erneuerbarer Energie gewonnen, bzw. wird insgesamt nur 1/80 der Emission verursacht wie bei konventioneler Energie.



    Falls man für die Stahlherstellung noch etwas addieren muss, wenn man nicht nur Energieverbrauch, sondern auch die Abprodukte bei der chemischen Umwandlung von Eisenerz in Stahl berücksichtigt, wird das die Zahlen etwas verschlechtern, aber die Grundaussage bleibt. Bei der Solarenergie ist es ähnlich, mit etwas längerer Dauer bis zur energetischen Amorisation.

  • Der „heilige Gral“ einer erfolgreichen Umstellung auf neue Technologien wie z.B Wasserstoff sind die Energiekosten - und diese sind zur Zeit deutlich zu hoch für eine Wettbewerbsfähigkeit.



    Das wird in der Studie eingeräumt und Lösungsvorschläge sind Subventionen der Kosten und globale Abstimmung.



    Schön gedacht aber wie so häufig alles sehr theoretisch und von Wünschen geprägt.



    Aber in einem Punkt klar: zu früh auf falsche Technologien setzen gefährdet Industrien und Arbeitsplätze ohne einen positiven Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.

    • @alterego:

      Die Energiekosten z.B. für Solarstrom zur Herstellung von Wasserstoff sind gar nicht so sehr hoch. Aus Sicht eines Endkunden, der sich z.B. Stahlprodukte kauft, wäre das meistens ein kleiner Bruchteil. Aber so lange das Oxidationsprodukt Kohle nahezu kostenlos entsorgt werden kann, ist das Verfahren mit Wasserstoff eben nicht wettbewerbsfähig.

  • Welch ein Scherz: "alle Stoffe lassen sich ohne Klimaschäden produzieren"



    Vielleicht sollte dann auch darüber geredet werden, wo die Rohstoffe für die in Dtl. angesiedelten Produktionsbetriebe herkommen: Europas Eisenerz wird im inzwischen im Schwerpunkt im umweltzerstörenden Tagebauverfahren im brasilianischen Amazonasbecken "gewonnen" oder besser geraubt.



    Das sorgt via Zerstörung des Regenwaldes für Klimaschäden und zudem für massive und nicht wieder gut zu machende Umweltschäden.



    Aber egal, Hauptsache, man produziert in Dtl. klimaneutral.