Kommentar von Stefan Alberti über den neuen Führungsstil in der Berliner CDU: Da hat einer seinen Traumjob gefunden
Stefan Alberti
ist Redakteur für Landespolitik.
Er geht von Reihe zu Reihe, von Gruppe zu Gruppe und schüttelt Hände. Er guckt dabei in die Augen und nicht sofort zum Nächsten. Er begrüßt nicht nur die ganz Wichtigen und die Journalisten, die das Bild von ihm nach außen transportieren. Nein, CDU-Landeschef Kai Wegner scheint sie am liebsten alle herzen zu wollen. Der kleine Parteitag am Dienstagabend, er zeigt neben einem überraschenden Vorstoß der Christdemokraten in die Umweltpolitik: Da geht einer komplett in seinem Job auf.
Ob Wegner seine Partei tatsächlich mal wieder in den Senat führen, ob er der Richtige für eine Annäherung an die Grünen ist, ohne die das nicht gehen wird, ist völlig offen. Sicher sagen aber lässt sich nach einem halben Jahr Wegner’schen Parteivorsitzes: Die CDU hat jetzt jemanden an der Spitze, der darin seine Erfüllung gefunden hat.
Auch bis zu seiner Wahl im Mai hatte die CDU an der Spitze jemanden mit einem Traumjob. Das Dumme war bloß: Dieser Traumjob war für Wegners Vorgängerin Monika Grütters nicht der Parteivorsitz, sondern ihr Amt als Kulturstaatsministerin. Der Landesvorsitz wirkte bei ihr wie ein notwendiges Übel, wie ein notwendiger Dienst an der Partei, auch um den eigentlichen Traumjob absichern zu können. Auch Grütters schüttelte Hände, aber nie so intensiv wie Wegner. Auch Grütters grüßte Menschen, wusste aber manchmal noch nicht mal von jedem Landesvorstandsmitglied den Namen.
Das kann man jetzt alles oberflächlich nennen, und tatsächlich sagt das nichts über Inhalte. Es ist auch nicht neu: Helmut Kohl gratulierte angeblich per Telefon jedem einzelnen der vielen hundert Kreisvorsitzenden der CDU zum Geburtstag.
Es ist aber auch solche Wertschätzung, die Ehrenamtliche motivieren kann, in Parteien genauso wie in Vereinen oder Kirchengemeinden. Nach außen hin ist dadurch noch nichts erreicht. Aber Mitglieder, die sich dadurch mehr mit ihrem eigenen Laden identifizieren und bereit sind, sich (wieder) stärker dafür zu engagieren, sind die nötige Basis, die es braucht, um ein politisches Programm nach außen zu tragen und damit bei Wahlen Erfolg zu haben.
Ob Wegner und die CDU Berlin gut tun, ist eine ganz andere Frage, und in großem Beliebtheitszuwachs schlägt sich das bislang auch nicht nieder – aber 18 Prozent in der jüngsten Umfrage reichen inzwischen hinter den Grünen für Platz 2 im Berliner Parteiengefüge.
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