Ausstellungsempfehlung für Berlin: Den Rassismus austreiben
Unter dem Motto „De-heimatize it!“ versammelt der 4. Berliner Herbstsalon bildende Kunst, die gegen nationalistische Fantasien Position bezieht.
Vielleicht muss man dem ganzen scheiß Rassismus mit einem unendlichen Maß an sinnlichem Überschuss begegnen. Vielleicht muss man dazu die guten Geister der Verstorbenen zum Kampf durch (die) Messiness einladen, so wie Delaine Le Bas das in ihrer Installation „Tutis A Rinkeni Moola, Abri (You're A Beautiful Ghost and Free)“ und mit ihrem „Shrine (For Damien)“ tut, zu sehen im Palais am Festungsgraben, dem Hauptausstellungsort des 4. Berliner Herbstsalon De-heimatize It!.
Vielleicht muss man eine Armee aus Le Bas’ Pferdemenschen versammeln, die für das „Re-Witching“ von Europa eintritt. Den Rassist_innen das Geschrei von Heimat im Halse ersticken lässt und die blutsrechtlichen-, abstammungsfixierten- und bevölkerungspolitischen Fantasien weißer Vorherrschaft austreibt. Die Kunst im Palais lässt sogar die Päpste zu diesem Projekt antreten. Lea Draegers „1000 Ökonomische Päpste“, exzessiv seriell gezeichnete Miniatur-Päpste, sind plötzlich ganz menschlich. Politische Verbündete vielleicht sogar, unter ihnen UFO-Päpste die anscheinend zu ganz anderen‚ höheren Wesen Kontakt haben. In ihrem Künstlerbuch zeigt Draeger dann, dass es so einfach doch nicht ist, die Einschreibungen der Zwangsheterosexualität auszuradieren, sich katholische Ikonografien aber erstaunlich gut zur visuellen Zerstörung der religiös-bürgerlichen Gewalt eignet. Sollen sie doch untergehen in der goldenen Überschüttung des Patriachats. Von wegen „Gebet den Armen“.
4. Berliner Herbstsalon im Palais am Festungsgraben & Maxim Gorki Theater, Mo.–Fr., 16–22 Uhr, Sa+So: 12–22 Uhr, bis 17. 11., Am Festungsgraben 1+2.Weitere Orte: Haus der Statistik, Scotty e. V. (bis 16. 11.), Oranienplatz
Trotzdem haben die Mitglieder des Sexworker-Kollektivs SWEAT aus Kapstadt in Candice Breitz’Videoinstallation „TLDR“ keine Geduld für ‚Pity Porn‘, es geht um die Dekriminalisierung ihrer Profession – also tanzen sie gegen den Bullshit. Chiara Baldini und Rafale Kozdron erforschen in ihrem Video „The Politics of Ecstatsy“, wie dionysische Riten einst neue Gesellschaften hervorbrachten. Trance? Ich sage ja, denn wir brauchen endlich einen Exorzism of the Nazi Mind. nym
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