berliner szenen: Einer dieser Tage
Es ist einer dieser Tage, an denen alleine schon das Aufstehen schwerfällt: Der Herbst hat den Bäumen vor dem Fenster die Blätter zensiert, statt blauem Himmel, Sonne und Arm- und Beinfreiheit warme Nieselregen, Wolkenschwaden und warme Wollpullover. Auf dem Weg zur Arbeit denke ich an die Steuererklärung, die ich von Woche zu Woche aufschiebe, frage mich, wo zwischen Arbeit, Bürokratie und Haushalt eigentlich noch Raum für Schönes bleibt, und wünsche mich zurück ins Bett oder gleich ohne Rückflugticket auf die Bahamas. Den anderen in meinem Bus scheint es ähnlich zu gehen: nur müde und mürrische Blicke.
In der Schule angekommen, sehe ich, dass jemand einen Notizzettel an meinem Computer angebracht hat. Auf dem steht in krakeliger Schrift „Herzlich willkommen“. Ich lächele. Dann merke ich, dass der Gruß zynisch gemeint war: Der Computer geht nicht an. Ich überprüfe die Kabel: alle ausgesteckt. Auch nach erneutem Einstecken geht nichts – die Maus spielt verrückt. Ich muss noch schnell Unterrichtsmaterialien ausdrucken und fluche in mich hinein. Wieder und wieder stecke ich die Kabel ein, ehe ich auf die Idee komme, die Maus näher zu betrachten. Und siehe da: Jemand hat das Rad mit Tesa abgeklebt. Triumphierend löse ich den Streifen.
Kurz darauf kommt eine meiner Schülerinnen und erzählt, dass sie sich verliebt habe. Ich bin noch mit Drucken beschäftigt und habe kaum Zeit, auf sie einzugehen. Nach Schulschluss sehe ich sie wieder: Hand in Hand mit ihrem neuen Freund. Ich denke an meine erste große Liebe während der Schulzeit und freue mich so für die beiden Frischverliebten, dass ich wieder versöhnt bin mit meinem Tag. Und als ob meine Gedanken nicht sentimental genug wären, kommt in dem Moment die Sonne heraus, und am Himmel zeigt sich ein Regenbogen.
Eva-Lena Lörzer
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