heute in bremen
: „Der Hass auf Israel verbindet diese Formen“

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Ingo Elbe, 47, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Privat-dozent am Institut für Philosophie der Uni Oldenburg.

Interview Alina Götz

taz: Herr Elbe, woher kommt Antisemitismus?

Ingo Elbe: Der moderne Antisemitismus knüpft an den historischen Antijudaismus an, der das gesamte Judentum aus religiösen Gründen ablehnte. Heute wird versucht, die abstrakten Strukturen und Krisen der Moderne auf die Juden zu projizieren. Sie gelten als Friedensstörer schlechthin. Es geht darum, einfache Erklärungen und Schuldige für komplexe Probleme zu finden. Das trifft Einzelne, aber auch den Staat Israel. Er wird von der UN überdurchschnittlich oft für Menschenrechtsverletzungen verurteilt. Wenn es ihn nicht gäbe, wäre die Welt friedlicher, so eine klassisch antisemitische Annahme.

Ab wann ist Israelkritik antisemitisch?

Man kann natürlich Kritik an der israelischen Regierung üben, wie bei jedem anderen Staat auch. Wann die Grenze von politischer Kritik zu sogenannter Israelkritik überschritten wird, kann der 3-D-Test zeigen: Dämonisierung, Delegitimierung, doppelte Standards. Wenn der Staat als Inbegriff des Bösen dargestellt wird oder ihm die Existenzberechtigung aberkannt wird, ist es antisemitisch. Auch wenn Menschenrechtsverletzungen der Hamas weniger thematisiert werden als die israelischer Soldaten, welche als grundlos tötende Kindermörder dargestellt werden.

Wie äußert sich Antisemitismus heute?

Vortrag „Kritik des Antisemitismus“: 20 Uhr, Kukoon, Buntentorsteinweg 29

In ganz verschiedenen Formen. Eine, den rechtsradikalen Antisemitismus, der sich an die Verschwörungstheorien der Nazis anlehnt, haben wir kürzlich beim Attentat von Halle beobachten können. Es gibt aber in Europa zudem einen starken, auch gewalttätigen, islamistischen Antisemitismus. Weniger Hand anlegend, aber auch gefährlich, ist eine linke, eher intellektuelle Form, die sich auf die Delegitimierung des israelischen Staates konzentriert. Der Hass auf Israel verbindet all diese Formen.

Geht es heute Abend denn auch darum, was ich dagegen tun kann?

Eher nein. Heute soll es darum gehen, Judenhass in seinen verschiedenen Gestalten zu erkennen und zu verstehen. Was man aber machen kann, ist, sich genau anzuschauen, wie der arabisch-israelische Konflikt zustande kam. Viele sind uninformiert und greifen auf vereinfachte Erklärungen wie das Kolonialargument zurück, welches besagt, dass Israel ein künstliches Gebilde ist und dem natürlich gewachsenen palästinensischen Volk gegenübersteht.