Das war auch: BremerInnensollen Nazis melden
Der Bremer Verfassungsschutz bittet die Bevölkerung um Mithilfe: Sie soll die Behörde bei einem Verdacht auf rechtsextremistische Umtriebe in ihrem Umfeld anrufen oder per Mail informieren. Ein höchst ungewöhnlicher Appell – und laut Bremer Innenbehörde der bisher einzige dieser Art bundesweit.
Anderswo wird im Kampf gegen Rechtsextremismus personell aufgestockt: Hamburg und Schleswig-Holstein beispielsweise haben das vorletzte Woche angekündigt, das Bundesamt für Verfassungsschutz hat 300 zusätzliche Stellen beantragt. In Bremen, sagte am Dienstag der hiesige Verfassungsschutz-Chef Dierk Schittkowski, werde es darüber noch Gespräche mit dem Innensenator geben sowie „umfassende Haushaltsberatungen“. Bloß ist Bremen Haushaltsnotlageland und die Mittel sind knapp.
Also muss das Volk ran. Und das soll vor allem da hinschauen, wo es um „schleichende“ Radikalisierung durch die „Neue Rechte“ geht, die sich unauffällig immer mehr hineindrängt ins digitale und analoge Leben. „Der Verfassungsschutz sollte hier ein Frühwarnsystem sein“, sagte Schittkowski, „aber das geht mit den vorhandenen Ressourcen nicht – das geht nur, wenn alle mitarbeiten.“
Das klingt nach einem Hilferuf – und allemal glaubwürdiger als vieles, was der Verfassungsschutz-Chef noch als Begründung für seinen Aufruf vorbrachte: Der Verfassungsschutz sei kein „closed shop“ und wolle sich nach außen öffnen, Extremismusbekämpfung gehe alle etwas an, die Zivilgesellschaft müsse sich schließlich auch ihrer Verantwortung im Kampf gegen Rechtsextremismus stellen, das sei Aufgabe der gesamten Gesellschaft und habe „auch etwas mit Zivilcourage zu tun“ und so weiter und so fort – denn: „Antifaschisten sind war ja alle.“
Damit brüskiert Schittkowski einen überwältigend großen Teil der Zivilgesellschaft, der schon lange vor dem Terroranschlag in Halle und lange vor dem Mord an Walter Lübke und auch schon vor der NSU-Mordserie die angeblich erst seit Neuestem alarmierend radikalisierte Rechte im Blick hat und sich den Nazis durchaus mit viel Zivilcourage entgegenstellt. Ironischerweise ist ein Teil davon bekanntermaßen sogar selbst im Visier des Verfassungsschutzes, der sich ebenfalls bekanntermaßen beim Thema „Rechtsextremismus“ noch nie mit Ruhm bekleckert hat.
Dass sich Menschen vertrauensvoll und mit wirklich seriösen Hinweisen künftig an den Verfassungsschutz wenden und nicht bloß mit denunziatorischen Absichten gegen den unliebsamen Nachbarn, darf also bezweifelt werden. Aber wie gesagt: Vielleicht war der Appell in Wahrheit ja ohnehin bloß ein verzweifelter Hilferuf. Nach mehr Personal.
Simone Schnase
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