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Lesen, lesen, lesen, bitte!

Und natürlich: die Bücher auch kaufen. Weil sonst den Verlagen doch die Geschäftsgrundlage entzogen ist. Kleinverlage arbeiten sowieso mit dem Rücken zur Wand – eine Nische, die in Berlin aber tatsächlich besser funktioniert als anderswo

Bei der Vorstellung eines bei Blumenbar erschienenen Readers, etwas her. Mittlerweile ist Blumenbar auch bei Aufbau Foto: Gordon Welters/laif

Von Susanne Messmer

Endlich ist es so weit: 63 Verlage – wovon 24 ihren Sitz in Berlin haben – werden auf der am 16. Oktober startenden Frankfurter Buchmesse den lang erwarteten Deutschen Verlagspreis bekommen. Er wird erstmals verliehen und ist mit insgesamt einer Million Euro der am besten dotierte seiner Art. Es ist dies auch die erste Unterstützung staatlicherseits, seit die Bundesrepublik 1967 den ermäßigten Steuersatz für Bücher eingeführt hat. Rosige Zeiten also für die deutsche Verlagsszene? Ein genauerer Blick verrät das Gegenteil. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat errechnet, dass Verlage, die unter drei Millionen Euro Jahresumsatz machen – und das ist die große Mehrheit der rund 1.700 im Börsenverein organisierten –, heute bestenfalls kostendeckend arbeiten. Viele unabhängige VerlegerInnen bestreiten ihre Lebensunterhalt mit anderen Jobs. Hinzu kommt, dass die Einschläge näher kommen.

2017 standen besonders die Kleinverlage mit dem Rücken zur Wand, weil die VG Wort ihre Einnahmen aus Tantiemen nicht mehr pauschal zwischen Autoren und Verlagen verteilen durfte und die meisten Verlage Rückzahlungen leisten mussten.

2018 stellte die Gesellschaft für Konsumforschung ihre Studie „Buchkäufer – quo vadis?“ vor. Innerhalb von vier Jahren habe sich die Zahl der Buchkäufer um 6,4 Millionen auf 29,6 Millionen verringert. Bücher seien nur noch für die 50-plus-Generation ein Leitmedium, Jüngere läsen im Netz oder schauten Serien. Während manche Verleger es bis dahin eher als ein gutes Zeichen sahen, dass das E-Book in Deutschland wohl nie ein echter Konkurrent zum Buch aus Papier werden wird, sahen sie das vor diesem Hintergrund nun ganz anders. Wie soll man Digital Natives ans Buch gewöhnen, wenn sich dafür einfach kein Medium findet?

„Die Lage ist ernst“, überschrieb die Kurt-Wolff-Stiftung, die größte Interessenvereinigung der Indie-Verlage in Deutschland, 2018 einen offenen Brief mit der Forderung, die Kulturpolitik möge dem Verlagssterben nicht tatenlos zusehen. Rund 60 Verlegerinnen und Verleger unterzeichneten im selben Jahr die „Düsseldorfer Erklärung“, in der sie Sichtbarkeit, Bewusstsein und viel mehr staatliche Förderung für ihre Arbeit verlangten.

Schließlich das Jahr 2019: Es ist nicht nur das des oben erwähnten neu eingerichteten Verlagspreises, sondern auch das, in dem die Portopreise bei der Deutschen Post erhöht wurden und in dem die KNO Verlagsauslieferung pleiteging – so manche Liquiditätsplanung bei so manchem kleinen Verlag steht noch immer kopf.

Unweigerlich denkt man dabei an all die Verlagsaufgaben der vergangenen Jahre, ob in Berlin oder deutschlandweit, die allerdings aus durchaus unterschiedlichen Gründen erfolgten. Sei es, dass die Verlage entweder zu kompromisslos auf eine einzige Art agierten, oder, dass die Verleger keine Nachfolger fanden – etwa wie im ersten Fall der Berliner Metrolit Verlag und im zweiten der Berliner Christoph Links Verlag, der unter das Dach des Mittelständlers Aufbau schlüpfte.

Dennoch geht es vielen Kleinverlegern in Berlin besser als anderswo, es werden – wie zuletzt 2017 etwa der Verlag Das Kulturelle Gedächtnis – auch nach wie vor neue gegründet.

Das liegt zum einen an den vielen erfolgreichen Kiezbuchhandlungen in der Stadt, die sich für die Berliner Verlage besonders engagieren. Viele haben eigene Regalreihen dafür oder gestalten hin und wieder das ganze Schaufenster mit Büchern eines befreundeten oder benachbarten Verlags. Zum anderen liegt es auch daran, dass in Berlin mehr Autoren leben als in jeder anderen deutschen Stadt, dass man besser vernetzt ist als anderswo. Und nicht zu vergessen: Nach wie vor sind die Lebenshaltungskosten und Mieten in Berlin niedriger als in vielen anderen deutschen Städten. Viele Verleger werden nicht müde, das zu betonen.

Weiterhin gibt es hier mehr Möglichkeiten, in aller Seelenruhe Nischen zu finden, in denen nicht so viel Konkurrenz herrscht. Wer diese dann noch mit Liebe füllt, der wird vielleicht nicht unbedingt reich, oft aber ziemlich glücklich.

Vom Lesen überzeugt: Berliner Kleinverlage 44–45

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