der rote faden: Mit Wutantriebruckzuck dasKlima retten
Durch die Woche mit Nina Apin
Es war die Woche der ganz großen Gefühle: Zu Hause erregte ein in Plastikfolie verpacktes Fladenbrot, von der berufstätigen Mutter eilig auf dem Heimweg aufgegabelt, die Wut der Tochter. Plastikfolie – how dare you, Mama?! Sämtliche Einwände (ist eine Ausnahme, Schatz, du weißt, dass ich sonst immer einen Leinenbeutel dabei habe und im Bioladen einkaufe, außerdem hatte ich einen Laptop in der Tasche, der soll nicht vollgekrümelt werden) werden ungnädig beiseite gewischt: Mutti hat’s verkackt.
Ungebremst alles rauslassen, die Wut, den Frust, die Verzweiflung über die Erwachsenengeneration, die es einfach nicht hinkriegt mit der Klimawende: Diese Herangehensweise hat auch Greta Thunberg, immerhin sechs Jahre älter als meine Tochter, für ihre Rede vor den Vereinten Nationen gewählt. Viele, vor allem diejenigen, die seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten für den Umweltschutz kämpfen, fanden das großartig: Endlich kommt mal Schwung in die festgefahrene Debatte! Und wer lässt sich nicht zum Umdenken bringen von den Tränen eines jungen Mädchens?
Nun, zum Beispiel Donald Trump. Der Klimaleugner ist einer geblieben, auch nach seinem Überraschungsbesuch beim Klimagipfel. Für die Trägerin des alternativen Nobelpreises hat er nur Sarkasmus übrig. „Sie scheint mir ein sehr glückliches junges Mädchen zu sein, das sich auf eine fröhliche, wunderbare Zukunft freut. Das ist so schön zu sehen!“, twitterte er. Widerlich, klar. Aber die Tränen der G. waren für D. T. und seine Freunde im Geiste eben auch eine Steilvorlage: Seht, wie hysterisch diese ganze Klimabewegung ist!
Leider ist sie das auch in Teilen. Wer auch nur ansatzweise Kritik übt an der Angst-und Verzichtsrhetorik der Klimaretterbewegung, kriegt gleich sein Fett ab: Alles Penner bei der taz, die „gar nichts verstanden“ hätten – so reagierten LeserInnen Mitte der Woche auf eine Seite, auf der taz-RedakteurInnen persönlich Stellung bezogen zum Thunberg-Hype. Einer wollte gar seine langjährige „Beziehung“ zur taz beenden – nur weil drei von sieben Beiträgen kritische Töne anschlugen. Wenn nicht mal mehr Menschen, die einander im Grunde zugetan sind, eine abweichende Sichtweise aushalten können, dann ist die Debattenfähigkeit im Keller.
Dann geht es zu wie im britischen Unterhaus, wo man sich mittlerweile als persönliche Feinde gegenübersteht und nicht als politische Gegner. Im hohen Haus der gepflegten politischen Debattenkultur sind die Sitten flöten gegangen, wie sich bei der ersten Sitzung nach der parlamentarischen Zwangspause gezeigt hat, die zum Showdown geriet. Der Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox beschimpfte die ParlamentarierInnen, die den Brexit nicht wollen, als Feiglinge, als Truthähne, die Weihnachten nicht verhindern könnten. Und Premier Johnson machte sich lustig über das Andenken der pro-europäischen Labour-Abgeordneten Jo Cox, die 2016 von einem Britain-First-Fanatiker ermordet wurde. Wer der Verstorbenen gedenken wolle, müsse jetzt den Brexit vollziehen – dann werde der Hass schon aufhören, der momentan auf Teile der Remain-Fraktion niedergeht.
Auf der einen Seite Wut und Tränen, auf der anderen Hass und Verachtung – ich bin langsam erschöpft von der Wucht, mit der die Gefühle bei jeder sich bietenden Gelegenheit aufeinanderprallen. Mein diskursiver Lichtblick der Woche war darum ausgerechnet Angela Merkel. Keine Sorge: Ich weiß, dass der Frau ganz zu Unrecht das Etikett „Klimakanzlerin“ angeheftet wurde. Aber Naturwissenschaftlerin, die sie ist, erlaubte sich Merkel in New York eine sachliche Kritik an der Fridays-for-Future-Position und wies darauf hin, dass Technik nicht per se böse sei, sondern dass technologische Innovationen bei der Erreichung der Klimaziele helfen können. Ich selbst war ja nie sonderlich begabt in den Naturwissenschaften, aber in letzter Zeit fehlen sie mir: Mir fehlen Interviews mit ForscherInnen, die Verfahren testen, wie man CO2 aus der Luft holen und in Gestein verpressen kann, wie es gerade in der Schweiz geschieht. Klar, ist kompliziert und vielleicht auch etwas trocken, aber eben auch konstruktiver, als einen nebulösen „Systemwechsel“ zu fordern. (Der Sozialismus war bekanntermaßen ganz, ganz mies für die Umwelt und in einer Ökodiktatur möchte ich auch nicht leben.) Mir fehlen auch Berichte über die WissenschaftlerInnen in Dresden und Norwegen, die seit ein paar Jahren daran tüfteln, wie man aus Wasser und Kohlendioxid synthetische Kraftstoffe herstellen, einlagern und bei Bedarf verstromen kann. Wenn Flugzeuge, Schiffe und Autos in naher Zukunft ganz erdölfrei und CO2-neutral betrieben werden können – das wäre doch mal eine Revolution für den Klimaschutz! Schade eigentlich, dass noch keine WissenschaftlerIn einen Wutantrieb erfunden hat: dann nämlich ginge es ruckzuck mit der Energierevolution. Nächste WocheRobert Misik
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