Polizeiaktion im Hambacher Forst: Streit um Begründung
Hat die Regierung von NRW eine Begründung konstruiert, um für RWE den Wald zu räumen? Interne Gutachten belegten dies, glaubt die Opposition.
Köln taz | NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) steht in der Kritik wegen des wochenlangen Großeinsatzes der Polizei im Hambacher Forst vor einem Jahr. Als Grund dafür hatte Reul stets den mangelnden Brandschutz der Baumhäuser angeführt. Dem Vorwurf, der Großeinsatz stehe in Zusammenhang mit der bevorstehenden Rodungssaison, hatte er dabei stets widersprochen.
Jetzt bekannt gewordene Gutachten legen jedoch den Schluss nahe, die schwarz-gelbe Landesregierung habe Gründe gesucht, um den Wald rechtzeitig zum Start der Rodungssaison im Oktober räumen zu dürfen: als Hilfestellung für den Braunkohletagebau-Betreiber RWE.
Die zwei Gutachten hatten Innen- und Bauministerium des Landes in Auftrag gegeben: In ihnen sucht eine Kanzlei mögliche Rechtsgrundlagen für einen Großeinsatz – und findet den Brandschutz. Dabei nimmt sie mehrfach Bezug auf einen Antrag von RWE auf Räumung des Waldes, den die zuständigen Kommunen zuvor abgelehnt hatten.
Die Opposition ist empört: Dass die Landesregierung sich „klar an die Seite von RWE gestellt“ habe, sei rechtlich hochproblematisch, sagte die innenpolitische Sprecherin der Landes-Grünen, Verena Schäffer. Ihre Fraktion plane nun eine parlamentarische Anfrage.
SPD sieht „Riesenskandal“
Die SPD sprach gar von einem „Riesenskandal“. SPD-Fraktionsvize Jochen Ott sagte, man halte es für „höchst bedenklich“, dass eine Landesregierung die Begründung für den größten und teuersten Polizeieinsatz der Landesgeschichte mit einem Vorwand „konstruiert“. Kathrin Henneberger, Sprecherin des Aktionsbündnisses Ende Gelände, forderte einen Untersuchungsausschuss.
„Es ging am Anfang überhaupt nicht um den Brandschutz“, gab Reul in der vergangenen Woche im WDR-Radio zu. „Das war das Ergebnis der Prüfung.“ Die Gutachten seien „ganz normale juristische Arbeiten“. Auch im Landtag hatte Reul im Juli den Zeitdruck vor dem Großeinsatz mit dem „Beginn der Rodungsperiode“ begründet. Zudem hatte er eingeräumt, dass es Gespräche mit RWE gegeben hatte. Laut WDR hat Reul zuletzt jedoch erneut behauptet, zum Thema Räumung keinen Kontakt zu RWE gehabt zu haben.
Leser*innenkommentare
nzuli sana
Nachwie vor handelt es sich um einen wilden Wald, und nicht um einen Forst.
Diese Bezeichnung wurde auf Betreiben von RWE eingeführt, um die Abholzung wie bei einer Holzplantage leichter durchzukriegen.
75064 (Profil gelöscht)
Gast
Gibt es eigentlich in der öffentlichen Diskussion noch irgend jemanden, der nicht der Ansicht ist, dass die derzeitige Landesregierung auf Seiten von RWE steht?
Und falls nicht - wozu ich tendieren würde - wozu sucht die TAZ jetzt nach Beweisen genau dafür?
Michael Garibaldi
Als die SPD noch NRW regiert hat, hat sie vor den selben Herrchen gedackelt, wie Laschet.
Der Landtag in Düsseldorf ist nur ein weiteres Verwaltungsgebäude von RWE.
Vollgut2000
Das ganze stinkt zum Himmel. Zumal erst die vorhandenen Feuerlöscher wegen fadenscheinigen Begründungen wie etwa, diese könnten als Waffe benutzt werden, von der Polizei entwendet wurden, um anschließend den erfundenen mangelnden Brandschutz als Räumungsgrund in's Feld zu führen. Würden meine Rechte derart mit Füßen getreten, würde ich auch stinksauer und mich mit allen Mitteln dagegen wehren.
Reyde Lanada
Die beste Demokratie, die man für Geld kaufen kann. Brandschutz las vorgezogener Grund ist in der Besetzer-Szene aber schon ein alter Hut.