: Puppen am Piano
Der Minimalist mit dem Hut ist da: Charlemagne Palestine spielt am Donnerstag auf Kampnagel
Von Alexander Diehl
Man könnte beinahe misstrauisch werden. Darüber nämlich, wie schnell, wie bereitwillig das Rauschhafte, der Vernunft Entgegengesetzte bemüht wird, wenn es um die Minimal Music geht (oder ganz genau: um bestimmte Spielarten dieser musikalischen Nachkriegsströmung). Damit ist nicht gemeint, dass es überhaupt keine Zusammenhänge gäbe zwischen der Wiederholung – auch der unter allmählicher Veränderung – und hypnotischen, trancehaften Vorgängen. Und während ja das bloße Anhören von Beethovens Neunter aus einem Saal voller Abonnementpublikum Barrikaden errichtende bürgerliche-demokratische Revolutionäre macht – oder haben wir da etwas missverstanden? –, kommt bei solcher Wiederholung des Immergleichen halt … tja, was eigentlich genau heraus?
Dem musikalischen Minimalismus wird in Europa traditionell gern mit ganz besonderem Misstrauen begegnet – da ist, sagen wir: jener Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1980 nur eines von vielen Beispielen: „Eine an orientalischen Mustern orientierte Klangkunst aus Amerika“ wurde da messerscharf entlarvt.
Nun ist 1980 schon etwas her, zumindest die Großen des Minimalismus füllen inzwischen die hiesigen großen Häuser, und dass sie ganze Heerscharen von „Neoklassik“-Bürgertumssprösslingen beeinflusst haben: Dem gebeutelten Konzertbetrieb sei’s gegönnt.
Wenn doch bloß einer wie Charlemagne Palestine auch etwas abbekommt vom Kuchen: eine legendäre Type, dessen Weg in der New Yorker Avantgarde-Szene der 1970er seinen Ausgang nahm, irgendwann verlegte er sich eine Weile ganz auf (Installations-)Kunst, wovon heute seine Konzerte gern mal beeinflusst sind: In bis zu fünfstelliger Zahl schart der Wahl-Brüsseler Stofftiere um sich, da dürfte eine psychoanalytische Lektüre sehr viel mehr hergeben als Euro-Kulturpessimismus.
Ob seine Spielart von Wenig nun hypnotisiert erleuchtet oder so gar keins von beiden: Das kann in dieser Woche beim Konzert auf Kampnagel überprüft werden.
Do, 21 Uhr, Kampnagel Music Hall
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