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Diplomatie mit Hut und weißem Kaninchen

Macron verblüfft die Öffentlichkeit mit dem Überraschungsbesuch des iranischen Außenministers

Macrons Inszenierungskünste in Biarritz waren dazu gedacht, eine irritierte Wählerschaft zu beruhigen

Von Rudolf Balmer, Paris

Der französische Präsident Emmanuel Macron zieht als Gastgeber des G7 die Bilanz am liebsten gleich selber. Schon in den Tagen vor dem Treffen in Biarritz, während der Gespräche zu zweit, im Rahmen der sieben Mitglieder und mit den eingeladenen Partnern, namentlich aus Afrika, war Macron omnipräsent und unablässig bemüht, diplomatische Türen zu öffnen. Der Gipfel der sieben dominanten Industrieländer ist für ihn ein Erfolg, weil er nicht in letzter Sekunde total gescheitert ist wie im Vorjahr in Kanada. Damals hatte sich US-Präsident Donald Trump über das Schlusskommuniqué hinweggesetzt und damit sämtliche ­Bemühungen einer minimale Einigung der G7 zunichte gemacht.

Eine solche Demütigung wollte Macron gar nicht erst riskieren. Eine gemeinsame Schluss­erklärung der Gipfelteilnehmer war auf Wunsch der französischen Organisatoren nicht vorgesehen. Umso mehr zählen die gemeinsamen Äußerungen und Stellungnahmen, in die alle hineininterpretieren, was sie gern sehen oder hören möchten. So geschehen mit der etwas zu triumphierenden Ankündigung französischer Diplomaten, ihr Boss Macron habe ein G7-Mandat für Verhandlungen mit Iran erhalten. Dabei hatte offenbar Trump bloß gesagt: „Go ahead“. Er insistierte jedoch darauf, dass jeder nur im eigenen Namen allenfalls mit Teheran rede, aber „niemand anderes als Amerika im Namen von Amerika“. Und Macron musste präzisieren, einen G7-Auftrag könne es schon deshalb nicht geben, da es ja ein „informeller“ Gipfel ohne Entscheidungskompetenzen sei.

Gepunktet hat er als Gastgeber dennoch. Er hat die Öffentlichkeit mit dem unverhofften Auftauchen des iranischen Außenministers Mohammed Dschawad Sarif am Rande des Gipfels überrascht und geblufft. Diese Hokuspokus-Diplomatie, mit der er einen iranischen Minister wie ein weißes Kaninchen aus seinem Hut hervorzauberte, hat verblüfft. Den ganzen Sonntag über war nur noch von diesem „Theatercoup“ die Rede, obschon Trump jedes Treffen mit dem Mann aus Teheran ausschloss. Niemand weiß derzeit, ob Macrons Zaubertrick eine konkrete Annäherung bringt oder auch nur vorerst mithilft, die reelle Kriegsgefahr zu bannen.

Wie im Zusammenhang mit Iran hat Macron auch in den Handelsfragen, der Hilfe für die ärmsten Staaten der Welt, in der Klimapolitik und der Frage der Waldbrände im Amazonas nichts unversucht gelassen, um als Vermittler Wege zu Kompromissen auszuloten. Das ist die Rolle, die er für Frankreich beansprucht: Zwischen den Großmächten zu vermitteln und dabei den Einfluss für sein Land – und nebenher für die EU – zu stärken.

Das ist in Biarritz niemandem entgangen. Wahrscheinlich auch seinen eigenen Landsleuten nicht. Sie sind von seiner Innenpolitik zur Halbzeit des Mandats mehrheitlich enttäuscht, würden jetzt vielleicht doch zumindest anerkennen, dass „ihr“ Präsident mit allen Großen der Welt reden oder sie notfalls auch zum Schweigen bringen könne.

Macrons Inszenierungskünste in Biarritz waren nicht zuletzt dazu gedacht, dem französischen Nationalstolz zu schmeicheln und so eine hinlänglich irritierte Wählerschaft zu beruhigen. Auf die unweigerlich erwartete Kritik antwortete er im Voraus in einer Fernsehrede am Samstag entschuldigend: „Allein vermag Frankreich nicht alles!“ Mit dieser scheinbaren Bescheidenheit gelang es ihm, die Verantwortung für ausbleibende Erfolge vorsorglich den anderen G7-Partnern zuzuschieben.

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