Sauber desintegriert

Das Deutsche Rote Kreuz in Hannover will sich von hauseigenen Reinigungskräften trennen und die Arbeit ausschließlich externen Firmen überlassen. Damit verlieren Geflüchtete und Menschen mit Behinderungen ihre Jobs

Sauberkeit hat ihren Preis. Das Deutsche Rote Kreuz bemüht sich, den so niedrig wie möglich zu drücken Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Von Simone Schmollack

Sie kommen aus Syrien, Afrika, Rumänien, Bulgarien, wohnen in einer der 21 Flüchtlingsunterkünfte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Hannover – und haben einen Job beim DRK: Als Reinigungskräfte putzen sie Unterkünfte des Vereins. Dafür sorgt das Integrationsprojekt „Auf Augenhöhe – Kollege werden“ des DRK. Das entspricht zudem den Grundsätzen des Wohltätigkeitsvereins: für Mitmenschlichkeit sorgen, Schwächeren helfen, Chancengleichheit für alle fördern. Deshalb putzen – neben zahlreichen Reinigungsfirmen – nicht nur Geflüchtete die Häuser, in denen sie wohnen, sondern auch Menschen mit Migrationshintergrund und mit Schwerbehinderungen. Die 25 Frauen und Männer verdienen mit 10,63 Euro Bruttostundenlohn sogar ein paar Cent mehr als den Mindestlohn von 10,56 Euro.

Damit soll jetzt Schluss sein. So jedenfalls sieht es ein Plan des Deutschen Roten Kreuzes vor. Danach will der Verein die Reinigung für sämtliche seiner Einrichtungen komplett auslagern. Derzeit reinigen laut DRK neben den Geflüchteten „mehrere Dutzend Putzfirmen“ die Flüchtlingsheime und die vom DRK betriebenen Kitas, Altenpflegeeinrichtungen, Rettungswachen und ambulanten Pflegestationen. Künftig sollen das „nur einige wenige Anbieter“ übernehmen, sagt Steffen Baumann vom Vorstand. Dem geht es vor allem um eines: Kosten zu sparen.

Das Vorhaben sorgt für Unmut bei den Mitarbeitenden. Sie wollen am kommenden Donnerstag, wenn sich das Präsidium in der Landeshauptstadt trifft und unter anderem die Outsourcing-Pläne bespricht, dagegen protestieren. „Es ist schlecht, wenn Arbeitsplätze im Unternehmen abgebaut werden“, sagt Kai Janzhoff, einer der DRK-Betriebsräte. Von den geplanten Maßnahmen sollen laut Janzhoff nicht nur die 25 Reinigungskräfte in den Flüchtlingsunterkünften betroffen sein, sondern auch Putzkräfte in der Altenpflege und in anderen Bereichen. Intern ist die Rede von 180 bedrohten Jobs.

„Das ist fatal“, sagt eine Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will: „Schließlich haben hier Menschen Arbeit gefunden, die sonst aufgrund ihrer sprachlichen oder körperlichen Beeinträchtigung schwer einen Job finden.“ In den DRK-Einrichtungen müssen sie zudem nicht – wie in Reinigungsfirmen oft üblich – im Akkord arbeiten, sondern haben eine festgelegte Arbeitszeit von vier Stunden am Tag. „Was die Reinigungskräfte in dieser Zeit schaffen, schaffen sie“, sagt die Mitarbeiterin.

Diese Arbeitsumstände hätten für einen ungewöhnlichen Bewerber*innenansturm gesorgt. Reinigungskräfte genießen gemeinhin kein allzu hohes Prestige, es gibt mehr freie Stellen als Bewerber*innen. Über die Jobbörse Hannover suchen vor allem Hotels, Büros und Immobilienfirmen Putzfrauen und -männer.

„Durch den Job waren sie in die Gesellschaft integriert“

Kai Janzhoff, DRK-Betriebsrat

Die Reinigungskräfte in den DRK-Flüchtlingsunterkünften haben je nach Aufenthaltsstatus befristete Arbeitsverträge zwischen drei Monaten und einem Jahr. „Durch den Job waren sie stärker in die Gesellschaft integriert“, sagt Betriebsrat Janzhoff. „Außerdem steigert die Arbeit ihre Chance, hier bleiben zu können.“ Das fällt weg, wenn die Verträge auslaufen.

Die DRK-Führung sieht in den Sparplänen keinen Konflikt. Die Reinigung der meisten Unterkünfte sei an spezialisierte Reinigungsfirmen vergeben, sagt Vorstand Baumann: „In einigen wenigen reinigen wir selbst und prüfen gegenwärtig, welchen Effekt diese Ausnahmen haben. Diese Überprüfung geschieht regelmäßig.“ Insbesondere in den Kitas, den Pflegeeinrichtungen und den Rettungswachen sei „erhebliches fachliches Know-how in Hygiene und den entsprechenden rechtlichen Vorschriften“ wichtig.

Die Kosten bewegen sich jährlich laut Vorstand im „mehrfachen Millionenbereich“. Baumann sagt: „Diese Kosten werden laufend analysiert und, wo möglich, gebremst.“ Oder anders formuliert: Das Outsourcing der Reinigung soll Kosten massiv senken. Dem widersprechen die Mitarbeitenden heftig. Das Gegenteil sei der Fall: „Durch unsere eigenen Reinigungsteams sparen wir die Umsatzsteuer“, sagt Janzhoff. „Damit liegen die Kosten um 16 Prozent niedriger.“