Nachruf auf US-Musiker David Berman: Lakonie und Willkür
US-Singer-Songwriter und Poet David Berman ist tot. Mit seiner Band Silver Jews veröffentlichte er sechs Alben. Ein Nachruf auf einen genialen Texter.
Als Jugendlicher entdeckte David Berman in den 1980ern Musik als Möglichkeit, lästigen Unterhaltungen mit seiner inneren Stimme zu entkommen. Lieder zu komponieren, bot stattdessen die Aussicht, mit anderen Kontakt aufzunehmen, und sei es, indem Berman mit Gitarre aufgekratzte Songs auf Anrufbeantwortern von Freunden spielte.
Nach dem Studium begann Berman unter dem Namen Silver Jews von den Dramen zu erzählen, die hinter ihm lagen: die Bemühungen, Perfektion zu erreichen und dafür in die Psychiatrie gesteckt zu werden, von denen er im lakonischen Song „Random Rules“ berichtet. Er sang über Schönheit, die sich zwar manchmal betrachten lässt, aber als zu eigenwillig herausstellt, um die Einladung, mit in einer Wohnung zu wohnen, anzunehmen. Nicht zuletzt beschrieb Berman ergreifend, dass ihm, nachdem er Substanzen konsumiert und dann wegen des Konsums behandelt wurde, „die Hände zu sehr zittern, um sie anderen zu schütteln“.
Während sich Berman in den 1990ern unzählige Scharmützel mit der Ästhetik lieferte, kamen seinen Mitstreitern bei den Silver Jews, etwa Stephen Malkmus (Pavement), mehr als nur musikalische Aufgaben zu. Sie sollten für gute Stimmung sorgen, wenn sich die Produktion eines Albums für Berman wieder als „große, schmerzhafte Erfahrung“ herausstellte. Was nicht einfacher wurde, wenn Berman, ebenfalls in „Random Rules“, konstatierte, dass das Leben erstens aus Zufällen, Willkür und Wahllosigkeit bestünde und zweitens aus der Einsicht, dass er absolut nichts davon aushalte.
Ende der Neunziger ertrug er auch seine Musik nicht mehr. Stattdessen veröffentlichte er „Actual Air“, einen Band mit Lyrik. In der Folgezeit wurden die Gedichte immer kürzer, was weniger mit einem selbstkritischen Lektorat als mit einer kurzen Aufmerksamkeitsspanne zu tun hatte. Statt zu schreiben, versah Berman einzelne Zeilen mit putzigen Cartoons, während seine Stimmungen häufig wechselten. Die Frage, wann er das letzte Mal richtig glücklich war, beantwortete er auf dem im Mai veröffentlichten Album „Purple Mountains“ mit „Vor 10.000 Nachmittagen“. Am Mittwoch ist David Berman im Alter von 52 Jahren gestorben.
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