Die friedliche Knochenkathedrale

Die Gebeine und Totenschädel der heiligen Damen in der Goldenen Kammer der Kölner Kirche Sankt Ursula

Elf Flammen trägt das Stadtwappen von Köln. Sie stehen symbolisch für die Stadtpatronin Ursula und ihre elf Gefährtinnen, die der Legende nach auf christlicher Pilgerfahrt von den die Stadt Köln im vierten Jahrhundert belagernden Hunnen gefangen genommen und niedergemetzelt wurden. Ursula selbst wurde durch einen Pfeilschuss des Fürstensohns getötet, als sie sich weigerte, den Ungetauften zu ehelichen.

Aus den elf Jungfrauen wurden im Laufe der Jahrhunderte 11.000, im Zeitalter des Wunderglaubens und mittelalterlichen Reliquienhandels eine einträgliche Sache. Als man auf ein römisches Gräberfeld neben der Kirche St. Ursula stieß, wurden die alten Gebeine pragmatisch zu Reliquien und Geld gemacht, sie zirkulierten durch das Pilgergeschäft in ganz Europa. Die jungfräulichen Märtyrerinnen sind Legende, machten die Kirche St. Ursula damals neben dem nahen Dom zur Haupt­attraktion Kölns.

Für die Knochen und Schädel gab es besondere Behältnisse, kunstvoll gefertigte Büsten aus Holz, die einen weiblichen Kopf und Oberkörper darstellten. Die heiligen Damen tragen ein Lächeln auf den Lippen, in God we trust. Selbstbewusst und nicht ergeben. Die Schädeldecke ließ sich aufklappen, im Kopfinneren lagen der echte Totenschädel oder Gebeine – die Reliquien. Mehr als hundert solcher Büsten, viele aus den Werkstätten der mittelalterlichen Kölner Meister, befinden sich in der „Goldenen Kammer“ der Kirche St. Ursula, nahe dem Dom.

Auch wenn die Kneipe gegenüber der Kirche „Zur Schreckenskammer“ heißt, so atmet diese Knochenkathedrale mit den Vermeer-blau gestrichenen Wänden und den rundum laufenden Holzregalreihen etwas Friedliches. Es ist keine Gruft, sondern eine Kapelle mit Kreuzrippengewölbe, das je nach Sonneneinstrahlung die vergoldeten Verzierungen der Regalkonstruktion reflektiert. Ein barockes Gesamtkunstwerk, im 17. Jahrhundert entstanden. Und angeblich das größte Beinhaus in Europa. Bei der Bombardierung der Kirche 1944 blieb nur dies intakt.

Insgesamt befinden sich in der „Goldenen Kammer“ an die 800 Totenschädel und Zigtausende Gebeine. Ein Teil der Schädel ruht auf Polstern, in Samt und Seide gehüllt, mit Perlen bestickt.

Dass Holzwurm und Schwamm diesen Raum nicht verschont haben, lässt sich an den Lücken in den Fächern erkennen – die Reliquienbüsten werden einzeln restauriert. Über dem in die Regalkonstruktion eingelassenen Altar stehen keine Büsten, Schädel oder Schatullen, hier füllen menschliche Knochen die Regalreihen aus, kleinere und größere, zu grafischen Mustern geordnet, die oftmals Schriftzeichen ergeben: „S. Ursula ora pro nobis“ – „Hl. Ursula, bete für uns“.

Kölns Stadtpatronin wurde 1970 vom Papst aus dem Heiligenkalender gestrichen. Am Kölner Rathaus macht sie weiterhin eine kämpferische Figur. Sabine Seifert

Besichtigung St. Ursula, Ursulaplatz, 50668 Köln.

Die Goldene Kammer ist verschlossen, wird aber auf Anfrage vor Ort geöffnet.