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Grüne Tangobälle

In der Ufa-Fabrik wird der Tango zum guten Maß aller, nein, nicht aller Dinge, aber doch vieler Ethno-Klischees

Die Bälle und der Tango: Vor dem Besuch der kleinen Varieté-Show „Sind wir nicht alle ein bisschen Tango?“ im Sommergarten der Ufa-Fabrik hat man gar nicht geahnt, wie viel das eine mit dem anderen zu tun haben kann. Wenn Martin Quilitz, der als ostwestfälischer Tangomeister durch den Abend führt, die unterschiedlichen Flirttechniken eines Tangoballs in Argentinien und im Rheinland erörtert, überrascht das noch nicht. Wohl aber, wenn dann Frau Bonse und Herr Korthaus ihre gefährlich anmutende Einübung der Tangoschritte unterbrechen, um mit kleinen Tischtennis- und großen Sitzbällen zu jonglieren.

Nicht einfach nur artistisch, sondern mit Hintersinn: Beide sind äußerst geschickt darin, vorzuführen, was der vielgereiste und workshoperprobte Deutsche im Hausgebrauch so aus fremden Kulturtechniken macht. Die Tischtennisbälle lassen Herrn Korthaus, in seinen Backentaschen gebunkert, nicht nur wie einen großen unglücklichen Hamster aussehen, sondern, in die Luft gespuckt und in genauem Bogen auf eine tönende Tafel treffend, ihn auch zum Ethno-Musiker werden.

Man merkt es schon, es geht nicht nur um Tango an diesem Abend, auch wenn er aufs Schönste die Begleitmusik stellt. Das Tango-Ensemble amortal steht die ganze Zeit auf der Bühne und lässt nicht nach, Astor Piazzolla, dem Meister des Tango Nuevo, zu huldigen. Mancher im Publikum denkt wohl an die Zeit vor etwa 30 Jahren zurück, als der Tango wiederkehrte: nicht mehr nur als Standardtanz unter anderen, sondern als Botschafter der Kulturgeschichte von der Emigration in die Neue Welt. An diese Wiederentdeckung des Tangos zu einer Zeit, als wohl auch die meisten der Gäste unter dem Zeltdach der Ufa-Fabrik frisch aus Westdeutschland zugezogene Großstädter wurden, knüpft das Programm an.

Sein Witz ist auf ein Publikum zugeschnitten, das Alternativkultur, Weltmusik und sanftem Tourismus viel zu verdanken hat, aber mittlerweile einsehen musste, sich mit einer Identität von bescheidenerem Zuschnitt zufrieden zu geben. Die Suche nach dem Authentischen in fremden Volkskulturen liegt heute Gott sei Dank hinter uns: Man kann nun leichter zugeben, welche Klischees damit auch produziert wurden. Das ist eine wichtige Botschaft des Abends. Gereicht wird die mit bodenständigem Witz und kleinem Varieté, gesprochen in der Sprache komplizierter Schrittfolgen und einsamkeitszerquälter Verwringungen auf dem Hochseil.

KATRIN BETTINA MÜLLER

„Sind wir nicht alle ein bisschen Tango?“, Ufa-Fabrik, Viktoriastr. 10–18, Mi–Sa 20.30 Uhr, bis 27. August.

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