Jan-Paul Koopmann
Popmusik und Eigensinn
: Schnittmenge Schalala

Ob überhaupt noch irgendwo im Pop ein Hauch von Unmittelbarkeit weht, kann ich auch nicht sagen. Sicher ausgestorben ist sie aber dort, wo man sich am engagiertesten darum bemüht: live nämlich. Zu sich findet dieser sonderbare Widerspruch bei den kuriosen Coverbands, die immer mal wieder in den Spielplänen auch ernstzunehmender Locations auftauchen. Da hört man wem beim Spielen der Musik anderer Leute zu, um ihr näher zu sein, als wenn der oder die echte Künstler*in sie aus einer Maschine trällert. Besonders verrückt ist das, wenn etwa Die Toten Ärzte Musik von Bands intonieren, bei denen es im Grunde gar nicht so sehr um die Musik geht – sondern um die Charismatiker, die sie sonst spielen. Und jetzt gar nicht da sind.

Seit unfassbaren 20 Jahren machen die das schon – und haben sich damit (noch unfassbarer) eine eigene Fangemeinde erschlossen. Die Songs kennt jede*r, die alten Geschichten von Elke, Claudia, Alex, Bommerlunder und Paule. Dass Ärzte und Tote Hosen dazu noch eine jahrzehntelang medial gepflegte Feindschaft verbindet, wird dem Erfolg zuträglich sein: wenigstens stellvertretend eine Verbrüderung, von der Deutschrock-Funpunk-Boys-und-Girls lange nur träumen konnten.

Die schreckliche Musik sei ihnen voll gegönnt, wirklich furchtbar ist etwas anderes. Das nämlich, was man abtöten muss, um diese Gemeinsamkeit zu behaupten. An den Ärzten ja nur schlimm, was sie mit den Toten Hosen gemeinsam haben: die Gröhlbarkeit einiger ihrer Lieder und diese Hordenstiftung. Ansonsten ist der smarte Nerd Bela B. ja ein prima Songwriter und Sympathieträger, Farin und Rod sowieso – und die Zahl derer, die nur empowert von Ärztesongs ihre Scheißjugend in Kackdorf überleben konnten, ist Legion.

Die Toten Hosen hingegen machen Bullymusik, sind laut, derbe und doof. Dass Campino im Alter heute wie ein deutscher Bono oder eine Günter-Grass-Karikatur als moralische Instanz gehandelt wird, macht das alles nur noch schlimmer.

Wie auch immer: Die Toten Ärzte sind nicht nur der Konsens zweier maßvoll angehärteter Deutschrockbands, sondern eben auch weiter Teile der in Gruppen nicht zu ertragenen Zuhörer*innenschaft. Ob sie nun in Hannover das Maschseefest eröffnen, im Hamburger Logo auftreten dürfen oder im Herbst dann zwar nicht in, aber doch bei Bremen spielen – in Thedinghausen nämlich, im Festzelt am Busbahnhof. Bleibt nur zu hoffen, dass ihnen bis dahin nicht noch der späte Gedanke kommt, noch ein paar Onkelz-Classics ins Repertoire zu nehmen – von den unverfänglichen, versteht sich.

20. 7., Hamburg, Logo; 31. 7., Hannover, Maschseequelle; 14. 9. Thedinghausen, Festzelt am Busbahnhof