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: Sozialdemokraten schmeißen Sarrazin raus

Ein Parteigericht gibt der SPD recht: Thilo Sarrazin darf wegen seiner rassistischen Thesen aus der Partei ausgeschlossen werden. Ob das tatsächlich gelingt, bleibt aber noch offen

Das Neue

Thilo Sarrazin wird aus seiner Partei – der SPD – ausgeschlossen. Die zuständige Schiedskommission des Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf gab am Donnerstag dem Antrag der Parteispitze recht, wonach Sarrazin gegen die Grundsätze der Partei verstoßen habe. Die Schiedskommission begründete ihre Entscheidung damit, dass Sarrazin der SPD „schweren Schaden“ zugefügt habe. Seine antimuslimischen und kulturrassistischen Äußerungen hätten die Glaubwürdigkeit der Partei infrage gestellt. Zudem hätte Sarrazin nicht glaubhaft darstellen können, wieso er in der SPD noch seine politische Heimat sehe.

Der Kontext

Seit zehn Jahren versucht die SPD, den ehemaligen Berliner Finanzsenator aus der Partei zu werfen. Nur wer „erheblich gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei verstoßen hat“, kann laut den Parteistatuten die Mitgliedschaft verlieren. Zweimal konnte Sarrazin bereits einen solchen Rauswurf abwehren. 2009 hatte ein Berliner Kreisverband auf Sarrazins Ausschluss gepocht, nachdem dieser in einem Interview Türken und Araber rassistisch diffamiert hatte. Ein Parteigericht lehnte den Antrag damals ab.

Sarrazin wurde Autor, erregte mit Büchern wie „Deutschland schafft sich ab“ die Gemüter und fing sich ein zweites Verfahren ein, das jedoch in einer Art Vergleich mit der Parteispitze endete: Der Prozess wurde eingestellt, im Gegenzug sollte Sarrazin sozialdemokratische Grundsätze in der Öffentlichkeit nicht infrage stellen. Im vergangenen August startete der SPD-Vorstand dann jedoch den dritten Versuch, nachdem Sarrazin in seinem neuen Buch „Feindliche Übernahme“ erneut menschenfeindliche Thesen verbreitet hatte.

Die Reaktionen

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung. Man sehe sich in seiner Haltung bestätigt, so Klingbeil in einem Twitter-Tweet nach Bekanntgabe der Entscheidung. „Rassistische Gedanken haben in der SPD keinen Platz.“

Die Berliner AfD hält dem umstrittenen Autor dagegen bereits einen Platz warm und lud ihn zur Mitarbeit ein. Der Umgang der SPD mit ihm zeige sinnbildlich, wie die Partei mit dem „ganzen deutschen Volk“ umgehe.

Die Konsequenz

Noch am Tag der Urteilsverkündung kündigte Sarrazins Anwalt an, Berufung einzulegen. Notfalls gehe man durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht. Das bedeute „viele weitere Jahre der Auseinandersetzung“, teilte Rechtsbeistand Andreas Köhler mit.

Sollte Sarrazin tatsächlich innerhalb von zwei Wochen Berufung einlegen, landet der Fall vor einer Landesschiedskommission. Im Falle einer Bestätigung des Urteils kann sich Sarrazin dann an eine Bundesschiedskommission wenden.

Entsprechend der aktuellen Lage hielt man sich bedeckt im Berliner Willy-Brandt-Haus: Man äußere sich nicht weiter, da das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei, so ein Sprecher auf taz-Anfrage.

Julian Schmidt-Farrent