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: Rasend bewegt

„Gantz: O“ (Japan 2016, Regie: Yasushi Kawamura, Keiichi Saitô). Die DVD ist ab rund 21 Euro im Handel erhältlich. (Der Film ist auch auf Netflix verfügbar.)

Gleich vier Anfänge hat dieser Film. Anfang eins stößt einen brutal rein in einen Kampf auf Leben und Tod, Mann im schwarzen Kampfanzug gegen muskelbepacktes Monster mit Wülsten am Kopf, Schauplatz eine Straße in dunkel technoi­der Großstadt, Eindruck: irgendwie Zukunft, Funken fliegen, ein Auto fliegt, weil das Monster es wirft, die Kamera fliegt auch, obwohl sie gar nicht fliegen kann, weil es keine Kamera gibt, denn das hier ist eine zu hundert Prozent am Computer gerenderte Welt, auch wenn sie rein optisch verdammt nah an der Wirklichkeit ist.

Anfang zwei: Masaru Kato auf dem Weg nach Hause, zu seinem kleinen Bruder, der hat Geburtstag, sie sind Waisen. In der U-Bahn eilt er einem Mann zu Hilfe, der von einem Fremden attackiert wird. Da sticht der auf ihn ein, mehrfach, Katos letzter Gedanke gilt dem zu Hause wartenden Bruder. Er stirbt. Und erwacht, Anfang drei. Er ist in einem Raum in einem Hochhaus, Fenster nach draußen. Der Raum selbst ist leer, außer ein paar weiteren Menschen, einem gelangweilten Teen, einer jungen Frau, einem älteren Mann. Und der großen schwarzen Kugel in einer Ecke des Raums, das ist Gantz.

Gantz singt ein Kinderlied, Gantz spricht und schreibt, Gantz gibt Kommandos. Versammelt sind in diesem Raum Tote, Gantz schickt sie hinaus in die Straßen, mit Waffen, sie sollen dort Alienmonster bekämpfen. Wie Kurono, der in Anfang eins starb. Wer in diesem Kampf hundert Punkte gewinnt, kehrt ins Leben zurück und vergisst die Nachlebensfights. (Oder darf, die Altruisten- oder Verliebten-Option, eine*n im Nachleben Verstorbene wiedererwecken.) Dann geht es hinaus und so richtig los, Anfang vier, von nun an wird der Film zu einer riesigen Schlacht, zum großen Teil in Osaka, eine genrehybride Mischung aus Superheldenfilm, Videospiel und Alien-Sci-Fi-Spektakel.

Der Film basiert auf einem erfolgreichen, zwischen 2000 und 2013 erschienenen Manga von Hiroya Oku, der auch schon in Fernseh-Anime-Serien und zwei Realfilmen ins Bewegtbild transponiert worden ist. Der Plot, der schlau aus den 237 Bänden extrahiert wurde, ist nicht so komplex, auch die Figurenpsychologie bleibt im überschaubaren Rahmen. Worum es eigentlich geht: das Spektakel, die entfesselten Kämpfe, die slicken und die gemetzelten Körper von Mensch und, vor allem, der Monster.

Und diese, die Körper der Monster, sind denn auch die eigentliche Schau: riesige rollende Köpfe, gollumartig Kriechendes, schleimig Schlüpfriges, gummiartig Hüpfendes, Wesen mit Topf überm Kopf, ein blutrünstiger Riese mit gewaltigen Flügeln, einer, der aussieht wie Gunter von Hagens’Plastinatenkabinetten entschlüpft (und danach mutiert) oder, vielleicht das wildeste Teil, ein riesiger Fleischberg, aus nackten Frauenkörpern wie aus Arcimboldo­gemüse zusammengesetzt, dabei sehr wendig.

All diese Wesen werden von den Heldinnen und Helden in fortgesetzten fantastischen Schlachten bekämpft, zerstückelt, gefesselt, gepfählt. Und alles immer in japanischer Großstadtnacht, vor flackernden Bildschirmen in Hochhausschluchten, alles rasend bewegt, von peitschender Musik angetrieben. Irgendwann ist, zugegeben, auch vor dem Ende der neunzig Minuten von „Gantz: O“ dann mal gut. Aber bis dahin ist das alles das Eintrittsgeld wert.

Ekkehard Knörer