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Strippenzieher hinter der Bühne

Der anstehende Führungswechsel in vielen Kulturinstitutionen bietet gute Perspektiven für angehende Kulturmanager. Studiengänge in Hamburg, Hannover und Hildesheim bereiten darauf vor. Eine starke Motivation für diesen Berufswunsch ist der Wunsch nach Wandel im Kulturbereich

Auf der Bühne oder dahinter: Das Theater ist für viele junge Menschen ein spannendes Berufsfeld, da hier gesellschaftlicher Wandel thematisiert werden kann Foto: dpa / Manuel Harlan

Von Joachim Göres

Kunstmessen, Museumsmanagement, Stiftungswesen, Krisenkommunikation, Strategieentwicklung und Urheberrecht sind einige der Themen, mit denen sich die Studierenden im Master-Studiengang Kulturmanagement in diesem Semester an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg beschäftigen. Mit rund 500 Studierenden ist das Institut für Kultur- und Medienmanagement einer der größten Anbieter von Aus- und Weiterbildungen für angehende Kulturmanager.

Eine von den rund 20 Master-Studierenden eines Jahrgangs ist Kirsten Worm*. Sie hat bereits in ihrem Bachelor-Studium einen Einblick in die künstlerische Praxis bekommen und sich entschieden, den Weg hin zu einer eigenen Karriere als Künstlerin nicht fortzusetzen. Vor allem die starken Hie­rarchien in der Kulturszene sind ihr ein Dorn im Auge, die nach ihrer Erfahrung dazu führen, dass Leitungen teilweise mit den Künstlern „nicht menschenwürdig umgehen“.

Das viersemestrige Master-Studium umfasst auch mehrere Praxisprojekte und endet mit dem Abschluss Kultur- und Medienmanager. „Bei uns gibt es viele Dozenten aus der Praxis und viele Studierende mit Bachelor-Abschlüssen in ganz unterschiedlichen Fächern, das finde ich sehr positiv“, sagt sie. Wo sie später arbeiten möchte, weiß sie noch nicht – doch klar ist der Wunsch, mit dem im jetzigen Studium erworbenen Wissen einmal etwas an den Strukturen der Kulturlandschaft ändern zu können. Auf der Homepage wirbt das Institut mit seinen Absolventen – darunter finden sich der Projektkoordinator der Bürgerstiftung Hamburg, der Marketing-Manager des Gruner-&-Jahr-Verlags und der Geschäftsführer des Konzerthauses Dortmund.

„Es gibt in Deutschland in den Kulturmanagement-Studiengängen jährlich rund 1.000 Absolventen. Sie haben gute Perspektiven, denn viele Führungskräfte von Kultureinrichtungen gehen in den Ruhestand und es gibt zudem viele neue Stellen“, sagt Birgit Mandel, Leiterin des Master-Studiengangs Kulturvermittlung an der Universität Hildesheim. Die niedersächsische Uni war Anfang der 90er-Jahre eine der ersten deutschen Hochschulen, die Inhalte des Kulturmanagements vermittelte und damit auf Führungspositionen vorbereiten wollte und bis heute will. Dabei spielen Kulturmarketing und Kulturpolitik in Hildesheim eine große Rolle im Studienplan.

Laut Mandel hat sich die Rolle des Kulturmanagers gewandelt – heute werde weniger der Spezialist für ökonomische Fragen oder der Fundraiser als vielmehr der Kurator und Co-Produzent gesucht, der als Change Agent notwendige Veränderungen in seinem Kulturbetrieb einleitet und auf gesellschaftliche Herausforderungen wie Migration, Digitalisierung und Globalisierung reagiert.

Mandel legt Wert auf die künstlerische Ader ihrer Studierenden, die sie in einer Eignungsprüfung nachweisen müssen. „Ob Tanz, Gesang oder Schauspiel – sie müssen in einer Sparte gut sein, denn man braucht eigene Erfahrungen, um künstlerische Arbeitsprozesse besser begreifen zu können“, sagt Mandel. 70 Bewerber gab es zuletzt für den vier Semester dauernden Master-Studiengang, von denen die Hälfte zum Wintersemester beginnen konnte. Bundesweit existieren rund 45 ähnliche Studiengänge und 30 Weiterbildungsangebote. Zunehmend treten spezialisierte Fächer wie Musikmanagement, Theatermanagement oder Kreativwirtschaft in Konkurrenz zu allgemeinen Kulturmanagement-Studiengängen.

Die Professorin für Kulturmanagement und Kulturvermittlung sieht einen deutlichen Unterschied zwischen ihren Studierenden vor 25 Jahren und heute: „Damals wollten die meisten in das Kulturmanagement und in Leitungspositionen großer Häuser. Heute will die Mehrheit selber gestalten und Inhalte mitprägen und bevorzugt kleine Einrichtungen und die freie Szene, denn in vielen traditionsreichen Kulturinstitutionen findet man große Hierarchien und selten ein gutes Arbeitsklima.“ Dafür nähmen viele auch unsichere Arbeitsverhältnisse und geringe Bezahlung in Kauf.

Auch Mandels Studentin Sena Zahirovic sieht sich weniger als Organisatorin, die die Richtlinien eines Hauses vorgibt, sondern will künftig als Theaterpädagogin mit Menschen an ganz konkreten Projekten arbeiten. „Es gibt in unserem Studium bestimmte Management-Pflichtanteile, aber insgesamt hat man große Wahlmöglichkeiten. Das gefällt mir“, sagt die Frau, die ihren Bachelor in Bielefeld im Studiengang Gestaltung mit der Studienrichtung Fotografie und Medien gemacht hat.

Die Leibniz-Universität Hannover bietet eine berufsbegleitende neunmonatige Weiterbildung zum Kulturmanager an, für Fachkräfte mit mindestens zwei Jahren Berufserfahrung im Kunst- oder Kulturbetrieb. „Man braucht kein Abitur, denn dies ist kein Studium, der Abschluss ist ein Zertifikat mit dem Titel Kulturmanager/in“, sagt Britta Jahn von der Zentralen Einrichtung für Weiterbildung (ZEW) an der Uni Hannover. Insgesamt 196 Stunden müssen von den rund 15 Teilnehmern absolviert werden, zu Themen wie Grundlagen der Planung und Finanzierung, Kommunikation im Kulturbetrieb, Kulturmarketing und Pressearbeit, rechtliche Grundlagen in Kunst und Kultur sowie Reflexion kultureller Praxis. Kostenpunkt 2.145 Euro. „In der Gruppe fand ich Austausch und Abgleich mit den unterschiedlichen Kultursparten, was neben dem umfangreichen vermittelten Wissen eine große Stärke des Kurses ist“ – mit diesem Statement des Absolventen Arne Sommer, Leiter der Filmwerkstatt Kiel, wirbt die ZEW um Interessenten für den nächsten Kurs, der im Oktober beginnt.

Der Wunsch nach Veränderung im Kulturbereich ist bei der jüngeren Generation groß – dies belegen die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage von Mandel unter 40 Leitungskräften öffentlicher Kulturinstitutionen. Die eine Hälfte steht am Ende ihres Berufslebens, die andere am Anfang. Für die Älteren ist es wichtig, das hohe künstlerische Niveau ihrer Einrichtung zu halten, an das sie das Publikum heranführen und für das sie auch neue Besucher begeistern wollen.

Der Wunsch nach Veränderung im Kulturbereich ist bei der jüngeren Generation groß

Jüngeren geht es eher darum, dass die dargebotenen Stoffe eine Relevanz für die Gegenwart haben. Sie wollen die Interessen der Besucher stärker berücksichtigen und neue Zuschauergruppen erreichen. Zudem bemängeln sie, dass sowohl bei den Mitarbeitern als auch im Publikum nur wenige Migranten und Menschen mit Behinderung vertreten sind. Unabhängig vom Alter sprechen die Befragten von großen Handlungsspielräumen, die aber durch fehlende Finanzmittel und unflexible Strukturen der Kultureinrichtungen begrenzt werden.

Verändert hat sich auch die Einstellung zur Arbeit. Während die in den 50er- und 60er-Jahren geborenen – meist männlichen – Kulturmanager in ihrer Leitungsposition häufig ihren Lebensinhalt gesehen haben, versuchen die jüngeren – oft weiblichen – Nachfolger Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Sie bevorzugen zudem einen kollegialen Arbeitsstil.

Oliver Scheytt, Berater von Kulturinstitutionen auf der Suche nach Fachkräften, hat 133 junge Leute um die 30 mit einer Anstellung im Kulturbetrieb befragt, die Mehrheit davon mit einem Master-Abschluss. Jeder Zweite zeigt sich wechselbereit, weil die Zusammenarbeit im Team nicht funktioniert und die Unzufriedenheit mit dem Verdienst groß ist. Denn das durchschnittliche Monatsbruttoeinkommen der Befragten lag bei gerade mal 1.512 Euro.

*Name geändert

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