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Kommentar Antimuslimischer RassismusSo präsent wie noch nie

Antimuslimische Vorurteile sind salonfähig und werden mit der Angst vor islamistischem Terror legitimiert. Da helfen keine solidarischen Tweets.

Der 1. Juli ist ein Tag der Erinnerung an Marwa El-Sherbini Foto: dpa

E s ist der 1. Juli 2009. Marwa El-Sherbini, im dritten Monat schwanger, ist als Zeugin im Amtsgericht Dresden geladen. Nach der Urteilsverkündung ersticht der wegen islamfeindlicher Beleidigungen angeklagte Alex Wiens Marwa El-Sherbini mit 18 Messerstichen, ihr zu Hilfe eilender Ehemann wird mit drei schwer verletzt – und noch dazu von der Polizei angeschossen, weil sie denkt, er sei der Attentäter.

Wiens wird später wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Das holt die Handballspielerin, Pharmazeutikerin und Mutter Marwa El-Sherbini aber nicht zurück. Sie wurde ermordet aufgrund antimuslimischen Hasses.

Der 1. Juli ist ein Tag der Erinnerung. Ins Leben gerufen wurde er 2015, um an Marwa zu erinnern und Bewusstsein für Feindlichkeit und Gewalt zu schaffen. Und das ist bitter nötig: Es gibt noch immer keinen Beauftragten der Bundesregierung gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit.

Antimuslimische Vorurteile sind im Bundestag salonfähig und werden mit der Angst vor islamistischem Terror legitimiert. Erinnert sei nur an Alice Weidels „Kopftuchmädchen und andere Taugenichtse“. Der NSU soll unter den Tisch gekehrt werden, die Akten sind bis 2044 unzugänglich. Selbst die Forderung der neuen Bundesjustizministerin, die Akten offenzulegen, macht wenig Hoffnung.

Yasmine M’Barek

lebt in Köln und studiert dort Politik. Daneben ist sie als Autorin tätig. Sie schreibt hauptsächlich über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Den Preis zahlen die Muslime

Der Mord an Marwa El-Sherbini

Die Tat

Am 1. Juli 2009 wurde die Apothekerin Marwa El-Sherbini im Dresdner Landgericht von einem Rassisten mit 18 Messerstichen ermordet. Die aus Ägypten stammende Frau sollte an diesem Tag gegen den Mann aussagen, der sie mehrfach rassistisch beleidigt hatte. Sie war im dritten Monat schwanger. Ihr Mann Elwy Okaz wurde lebensgefährlich verletzt – und anschließend von der Polizei angeschossen, weil diese ihn zunächst für den Täter hielt.

Die Folgen

Der Täter wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Erst seit der Tat gibt es Waffenkontrollen am Eingang des Gerichts.

Das Gedenken

Am Montag um 13 Uhr wird vor dem Landgericht Dresden an den Tod von Marwa El-Sherbini erinnert. Seit 2015 begehen Aktivist*innen und Initiativen an ihrem Todestag zudem bundesweit den Tag gegen antimuslimischen Rassismus. (dir)

Es helfen keine solidarischen Tweets, wenn eine Emma-Karikaturistin für ihre zutiefst islamfeindlichen und rassistischen Arbeiten ausgezeichnet werden soll. Den Preis für den fahrlässigen Umgang mit der stattfindenden Gewalt zahlen die Muslime inmitten der Gesellschaft. Man erinnere sich nur an die Schläge in den Bauch, die eine schwangere Muslimin im vergangenen März in Berlin erlitt.

Antimuslimischer Rassismus ist derzeit so präsent wie noch nie. Der Me­dien­wissenschaftler Kai Hafez stellte fest, dass über 50 Prozent der Deutschen anfällig für Islamfeindlichkeit sind. Gegen solche Zahlen muss mit Nachdruck gearbeitet werden – im Namen von Marwa und allen anderen, die diese Gewalt erleiden mussten.

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1 Kommentar

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  • Zunächst einmal kann ich mich der Zustandsbeschreibung unserer Realität und den daraus sich ergebenden Befürchtungen nur anschließen. Auch das Entsetzen über den Fall von Marwa El-Sherbini ist bei mir noch so gegenwärtig, dass es kaum zu glauben ist, dass das schon wieder 10 Jahre her ist. Und sowohl die zunehmende Gewaltbereitschaft und der zunehmende Rassismus jedweder Art als auch der Umgang mit diesen Entwicklungen seitens Politik, Medien und allgemein der Öffentlichkeit werfen kein gutes Licht auf unsere Gesellschaft.

    Aber: den Artikel zur Karikaturistin Franziska Becker zu verlinken mit den Worten "für ihre zutiefst islamfeindlichen und rassistischen Arbeiten ausgezeichnet" hat nichts mit Journalismus zu tun, sondern nur mit Meinungsmache und ist somit Teil des Problems. Der geneigte Leser könnte ja dem Text glauben und dem Link gar nicht folgen. Und wenn er ihm schon folgt, dann nur oberflächlich lesen.

    Auch wenn der verlinkte Artikel nicht sehr freundlich mit Frau Becker umgeht, so stellt er schon in der Überschrift deutlich fest: "Der Journalistinnenbund zeichnet die Karikaturistin Franziska Becker für ihr Lebenswerk aus". Also nicht für ihre Arbeiten welche sich mit Islam und/oder Islamismus befassen, welche nur einen winzigen Bruchteil ihres Werkes ausmachen - und ob sie " islamfeindlich und rassistisch" sind, darüber ist auch nach den umfangreichen Kommentaren noch zu streiten.

    Und um nun auch mal aus den dortigen Kommentaren zu zitieren:

    "Frauen mit und ohne Kopftuch von bissiger Karikatur auszunehmen, während Generationen von Politikern und anderen hervorgehobenen Persönlichkeiten damit leben müssen, steckt Frauen wieder in die unbedarfte Weibchen/Muttchen-Ecke."

    Dem kann ich mich nur anschließen.