heute in bremen: „Es geht um eine Gesinnungs-Diktatur“
Franz Josef Eggstein, 63, ist Sozialpädagoge und leitet das Uni-Theater „Theater InCognito“ (TIC).
Interview Greta Schemmel
taz: Herr Eggstein, worum geht es in Arthur Millers „Hexenjagd“?
Franz Josef Eggstein: Dem Stück liegt eine ganz konkrete geschichtliche Tatsache zugrunde. 1692 entstand in Salem eine Art Massenhysterie, die zu einer Hexenverfolgung führte.
Ist es deshalb so aktuell?
Wenn man sich umsieht und beispielsweise Erdoğan anschaut, dann macht er eine Hexenjagd auf die Gülen-Anhänger. Anderswo werden Journalisten diffamiert. Und wenn man sich mal anguckt, was die AfD in Richtung Kultur alles von sich gibt, dann ist das auch nicht gerade nett. Es geht im weitesten Sinne um eine Gesinnungsdiktatur und wer davon abweicht, wird sanktioniert. Das reicht von Shitstorm bis zu Morddrohungen.
Und kommt es im Stück zur Hexenjagd?
Junge Frauen werden bei einem Initiationsritus im Wald von Pastor Harris ertappt, der glaubt, sie hätten Geister beschworen. Unter den jungen Frauen ist auch seine Tochter. Mit einem erfahrenen Hexenjäger, Pastor Hale, setzt er eine der jungen Frauen durch Psychoterror so unter Druck, dass sie zusammenbricht und Menschen aus dem Ort benennt, die Hexen sein sollen. Die Mädchen und weitere Leute schließen sich den Anklagen an, die Mädchen, um ihre Haut zu retten, andere machen ein Geschäft damit, weil sie das Land der Leute aufkaufen, die verurteilt worden sind. Der Einzige der offen dagegen ist, ist der Bauer Proctor. Er verkörpert im Stück den Rationalisten, man kann sagen, er ist der Mann der Aufklärung. Letztlich wird auch er gehängt, wie 18 andere vor ihm,
Hat Arthur Miller sich das ausgedacht?
Nein, das ist wirklich passiert. In Salem lebte damals eine Puritaner-Gemeinschaft nach strengen christlichen Regeln. Die gesamte soziale Ordnung und das ganze soziale Netzwerk zwischen den Einwohnern ist durch die Hexenjagd zusammengebrochen.
Was ist das Besondere an der Inszenierung?
Wir halten uns relativ nah an den Text, haben aber eine eigene gekürzte Spielfassung geschrieben. Damit beschränken wir uns auf das Wesentliche, um deutlich herauszuarbeiten, wie diese Massenhysterie entsteht. Im Fokus steht auch, wie man eine solche Massenhysterie im Sinne seiner eigenen Interessen ausnutzen und diese durchsetzen kann.
Premiere: „Hexenjagd“ von Arthur Miller, „Theater InCognito“, Theatersaal Uni Bremen, 20 Uhr.
Sechs weitere Termine bis 10. 7., Infos auf: theaterincognito.de
Warum sollte man sich dieses „Laientheater“ anschauen, das sind ja alles Studenten?
Ich glaube, unsere Studierenden spielen auf hohem Niveau, sodass es uns gelingen könnte, bei den Zuschauern Gefühle zu erzeugen, welche dazu führen, darüber nachzudenken, was uns diese alte Geschichte aus Salem auch noch in der heutigen Zeit aufzeigt und sagt.
Aus welchen Fachbereichen kommen die Studierenden?
Aus den verschiedensten Fachbereichen. Von Physik bis Medienwissenschaften sind diverse Studiengänge vertreten. Das Theaterprojekt richtet sich an alle Studierenden der Universität.
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