piwik no script img

briefe

Fußball-Hippies

„Hat Union genug Klasse?“, taz vom 29./30. 5. 19

Fast 30 Jahre nach dem Mauerfall ist der 1. FC Union Berlin in die Bundesliga aufgestiegen und damit aktuell der einzige Ostclub in der Bundesliga, den es auch schon zu DDR-Zeiten gab. Vielleicht könnte Union, statt sich vom nun nochmals hinzugewonnenen, zudem regionale Grenzen überschreitenden Kultfaktor und den kommerziellen Überlebenszwängen „auffressen“ zu lassen, an seine DDR-Zeiten anknüpfen.

Dort war der Club nicht nur Underdog und privilegienmäßig tief im Schatten des stasigepamperten Berliner FC Dynamo, sondern hatte massenweise Anhänger, die auf Blues, Bob Dylan und die Rolling Stones standen und wie die 70er Hippies häufig (West-)Parkas und lange Haare trugen. So war Union nicht nur der Club der sportlichen Underdogs, sondern auch der der freakigen Fußball-Hippies aus Ostberlin und im Grunde eine Art Westclub in der DDR und in dieser Art der einzige.

Wenn sie es nun schaffen würden, mit dem Aufstieg in die Bundesliga auch der einzige Club der BRD zu sein, der nicht nur beim Torerfolg den Zuschauerjubel nicht mit einer eventaffinen Musik seiner eigenen spontanen Musikalität beraubt, sondern sich den kapitalistischen Kommerzzwängen insgesamt so gut es eben geht entziehen kann, ohne an Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen, wäre das für Union-Verhältnisse nichts Neues, sondern die Fortsetzung einer typischen Union-Eigenschaft: derjenigen, kein Club des gesellschaftlichen Status quo und seiner Normen zu sein.

Diese Einzigartigkeit im Verteidigen dessen, was einem als Freiheit und innere Qualität völlig alternativlos und damit in gewissem Sinne auch kompromissunfähig ist, könnte Motivationskräfte freilegen, mit denen dieses Ziel vielleicht zu erreichen möglich wird. Wolfram Hasch, Berlin

Musikschulelend

„Prekäre Arbeit an Musikschulen: Ich komme mit wenig aus“, taz.de vom 14. 5. 19

Einiges erkenne ich aus meinem Alltag wieder, stelle aber auch fest, dass einige Kollegen entweder schlecht beraten sind oder ihre Chancen nicht nutzen: Eine halbe Festanstellung ausschlagen, weil man in TVÖD Stufe 1 eingruppiert wird? Bereits nach einem Jahr steigt man auf Stufe 2, nach weiteren zwei auf Stufe 3 etc. Sorry, da hätte sie die Gelegenheit ergreifen müssen, das beklagte Elend ist auch selbstproduziert! RHP, taz.de

Verfassungswidrig

„Abschiebungen aus Flüchtlingsheimen: Bietet diese Wohnung Schutz?“, taz.de vom 3. 6. 19

Die Aufgabe jedes verfassungstreuen Demokraten wäre es, den Gesetzesentwurf der GroKo infolge Verfassungs- und Menschenrechtswidrigkeit sowie Verstoßes gegen die Genfer Flüchtlingskonvention konsequent abzulehnen.

Durchsuchungen dürfen aus gutem Grund nur auf schriftliche Anordnung eines Richters (schriftlicher richterlicher Hausdurchsuchungsbefehl) bei Gefahr im Verzuge durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden (Artikel 13 Absatz 2 Grundgesetz). Sofern kein richterlicher Durchsuchungsbefehl und keine Gefahr im Verzug (Sterbender, Toter, Bombe, Brand in der Wohnung) vorliegt, darf die Polizei keine Wohnungen durchsuchen .

Eingriffe und Beschränkungen dürfen im Übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, aufgrund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden (Artikel 13 Absatz 7 GG ).

Insofern ist die mit dem Gesetzesentwurf angestrebte Vorgehensweise gemäß Definitionen des Gesetzgebers de facto durchaus verfassungs- sowie rechts-widrig und verstößt zudem gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und das Genfer Flüchtlingsabkommen. Was kürzlich durch Rüge der EU-Menschenrechtskommissarin und Urteil des Europäischen Gerichtshofs bestätigt wurde. Mr. Fawkes, taz.de

taz.die tageszeitung Friedrichstr. 2110969 Berlin briefe@taz.de www.taz.de

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Recht und Ordnung

„Berliner Polizeischüler: Wegen ,Sieg Heil'-Rufen vor Gericht“, taz.de vom 28. 5. 19

Es gibt Untersuchungen dazu, dass in Berufen, die mit einem Machtstatus einhergehen (also wo man als Individuum Vertreter der „Staatsgewalt“ spielen darf), der Anteil autoritär, intolerant und rechtsradikal gesinnter Menschen überdurchschnittlich hoch ist.

Entsprechende Vorkommnisse in Polizeibehörden und Einheiten der Bundeswehr gab es ja schon häufig: den Fall Oury Jalloh, die Vorfälle beim Kommando Spezialkräfte, der Berliner LKA-Beamte, der private Kontakte zu den Neuköllner Rechtsextremisten pflegt, welche er beschatten sollte, die Polizisten in Hessen, die Drohbriefe an die türkischstämmige Anwältin eines NSU-Hinterbliebenen geschrieben haben …

Hatte selbst in meinem Bekanntenkreis Vorfälle, wo sehr friedliebende und sozial kompetente Menschen, die in keinerlei kriminelle Aktivitäten involviert sind, von Polizisten misshandelt wurden – und das offenkundig nur wegen ihres nichtgermanischen Phänotyps. Das Ganze wurde dann nach einem kurzen Presseecho vom Berliner Polizeisprecher im RBB Fernsehen geleugnet. Natürlich hätten die Beamten nur ordnungsgemäß ihren Dienst verrichtet und strafbare Handlungen seien nicht erkennbar gewesen. Iko Rohm, taz.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen