: Zukünftige Qualitäten von Fashiondesign
Carolin Ermer veröffentlicht in ihrer Forschungsarbeit grundlegende und kreative Vorschläge zum Thema Mode und Nachhaltigkeit
Der schmale Band „Modedesign neu denken“ der Berliner Wissenschaftlerin Caroline Ermer von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) ist erstaunlicherweise spannend zu lesen. So etwas erwartet man nicht von einer Masterarbeit, die zum Stand der Forschung referiert und daher den einfach nur interessierten Leser erst mal gar nicht im Blick hat. Trotzdem wird er die Literaturrecherche zur Frage, wie es denn ausschaut mit der Nachhaltigkeit in einer kreativen Disziplin wie dem Modedesign, mit Gewinn verfolgen. Die Recherche gilt didaktischen und pädagogischen Vorschlägen, das Konzept Nachhaltigkeit im wissenschaftlichen, universitären und schulischen Alltag umzusetzen und darüber hinaus einer eventuellen Evaluierung dieser Vorschläge.
Erste Empfehlungen in Hinblick auf Nachhaltigkeit kamen Anfang der achtziger Jahre von den Vereinten Nationen. Erstmals in die Pflicht genommen werden freilich alle Staaten mit den am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Sustainable Development Goals (SDGs), zu deren integralem Bestandteil BNE, die Bildung für nachhaltige Entwicklung, gehört. Diese internationale Bildungskampagne hat, wenn auch langsam und schwerfällig, in Deutschland generell zu neuen Konzepten in der Hochschullehre geführt.
Inwieweit das auch für den Bereich des Modedesigns stimmt, kann, wie in Caroline Ermers Untersuchung deutlich wird, kaum gesagt werden, da empirische Daten zu innovativen Ansätzen und didaktischen Methoden bislang fehlen. Gleichzeitig stellen Studien fest, dass der Designerin eine Schlüsselrolle im Konzept Nachhaltigkeit zukommt. Denn bis zu 80 Prozent der ökologischen wie gesellschaftlichen Folgen der Güterproduktion, ob es die Herstellung, den Gebrauch oder die Entsorgung betrifft, sind durch das Produktdesign von Anfang an definiert.
Mode ist nun in ihrer Struktur und Funktion per se nicht nachhaltig. Ihre Existenzberechtigung leitet sie von ständiger Neuerfindung ab. Entsprechend wird das Bild einer Designerin als Einzelkämpferin und künstlerischem Ausnahmetalent entworfen, das sich als solches auf dem Markt durchsetzt und als Star gefeiert wird. Nachhaltigkeitskriterien werden von dieser Designerin als Einschränkung der kreativen Freiheit gesehen, dazu kommt die Angst vor dem Kopiertwerden, weswegen Gruppen- oder Teamarbeit wenig attraktiv ist. In allen diesen Punkten widerspricht die Ausbildung den Zielen von BNE und die Implementierung von Nachhaltigkeit in die Studiengänge Modedesign stellt somit eine besonders komplexe Herausforderung dar.
Ermers Recherche zufolge ist diese Herausforderung in Deutschlands Modeschulen und den universitären Studiengängen zum Modedesign aber bislang nicht angenommen worden. Nachhaltigkeit wird, wenn überhaupt, als neues, zusätzliches Fach angeboten, anstatt Wissen und Problembewusstsein zu Fragen der Nachhaltigkeit als zentral für jegliches Fach zu erkennen. Wie die Autorin sagt, braucht es „eine komplette Veränderung des Berufsbildes“. Dazu muss der Fokus zunächst auf die Lehrenden gelegt werden.
Sie müssen hinter dem Konzept BNE stehen und damit ein neues Bild des Designers entwerfen, das klar benennt, dass kaum einer jemals ein Star wird, dass dies aber auch nicht interessiert für die Zukunft, wo die Qualitäten von Design eben ganz anders bewertet werden. Nämlich in Hinblick auf Ressourcenschonung, Langlebigkeit, Wandelbarkeit statt Neuheit, auf eine Wertsteigerung von Produkt und Design nicht im materiellen, sondern im ideellen Sinn. Die Lehrenden müssen die Studierenden ermutigen, bestehende eingeschliffene Gewohnheiten und Denkmuster kritisch zu befragen und hinter sich zu lassen.
Brigitte Werneburg
Carolin Ermer: „Modedesign neu denken. Nachhaltigkeit in einer kreativen Disziplin“. Diplomica Verlag, Hamburg 2019, 29,99 Euro
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