: So wird’s gemacht
Ausgezeichnete Initiativen: Das Ruhrgebiet verbessert seine Radwege, in Köln wird der Ringboulevard sicherer, und vielerorts kann man Lastenräder gratis leihen
Von Laura Kosanke
„Wer Radwege baut, wird Radverkehr ernten. Wenn Menschen ein sicheres Netz bekommen, sind sie bereit, auf das Fahrrad umzusteigen“, sagt Martin Tönnes vom Regionalverband Ruhr. Seine Devise kommt an. Über 50 Kommunen, Institutionen und Verbände haben sich darin zusammengeschlossen, um das bestehende Netz eher touristisch geprägter Radwege im Ruhrgebiet zu erweitern und alltagstauglicher zu machen. Mit dem geplanten Wegenetz gewinnt die Metropole Ruhr den Deutschen Fahrradpreis in der Kategorie „Infrastruktur“. Den Preis überreichte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer am 13. Mai in Dresden.
Insgesamt sieht das Gewinnerkonzept im Ruhrgebiet ein Netz von 1.800 Kilometern Länge vor. Darunter sind knapp 340 km Radschnellwege, die separat vom Gehweg verlaufen. Geplant sind zudem 690 km regionale Radhauptverbindungen und etwa 780 km regionale Radverbindungen. Wo die Straßen zusammenlaufen, verbinden sie Alltagsradwege mit touristischen und vernetzen die Kommunen. „Man fährt nicht im Nahkampf mit dem Autoverkehr. Man ist absolut ungestört vom Autoverkehr“, sagt Tönnes. Das Ziel: mehr Menschen auf den Sattel bringen.
Der Deutsche Fahrradpreis wird seit 2000 jährlich in den Kategorien „Infrastruktur“, „Service“ und „Kommunikation“ verliehen, um „den Radverkehr noch deutlicher als bisher ins Blickfeld der öffentlichen Wahrnehmung [zu]rücken“. Die ersten Plätze sind mit jeweils 3.000 Euro dotiert. Zu den Initiatoren des Preises zählen das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW. Partner sind der Zweirad-Industrie Verband und der Verbund Service und Fahrrad. Über 100 Initiativen hatten sich in diesem Jahr beworben. Außerdem gewann der Schüler Lennard Prediger mit einem Bild seiner Großeltern beim E-Bike-Fahren den Fotowettbewerb. Sänger Max Raabe wurde zur fahrradfreundlichsten Persönlichkeit gekürt. In „Fahrrad fahr’n“ singt er: „Manchmal läuft im Leben alles glatt/Vorausgesetzt, dass man ein Fahrrad hat.“
Die Initiative Freie Lastenräder siegte in der Kategorie „Service“. 2013 in Köln gegründet, hat sich die Idee eines ehrenamtlich organisierten, kostenlosen Verleihs für Lastenräder schnell in anderen Städten verbreitet. „Wir glauben, dass den Autos zu viel Platz zugesprochen wird und Warentransporte in der Stadt zu großen Teilen mit Lastenrädern abgewickelt werden können“, sagt Florian Egermann, Sprecher des Forums Freie Lastenräder. Seine Devise: „Teilen statt besitzen, den Stadtraum verändern und Teilhabe schaffen – für alle Leute.“
Mittlerweile stellen 85 unabhängige Initiativen unter dem Dach des Forums Freie Lastenräder in ganz Deutschland 180 Lastenräder zur Verfügung – darunter KASIMIR in Köln, fLotte in Berlin und Hannah in Hannover. Hinzu kommen einzelne Standorte in Österreich und Ungarn. Als Verleihstationen fungieren Cafés, Bürgerzentren oder sogar einem Heim für Geflüchtete. „Schön wäre es, die 100 zu knacken und in kleine Städte zu gehen, die Lücken zu füllen“, sagt Egermann. Wozu die 3.000 Euro Preisgeld eingesetzt werden, entscheidet der Verband auf der nächsten Mitgliederversammlung.
Kategorie „Infrastruktur“1. Platz: Weiterentwicklung des Regionalen Radwegenetzes Metropole Ruhr, 2. Platz: Radwelle Oberhausen, 3. Platz: Regelplan Lastenfahrradparkplatz
Kategorie „Service“
1. Platz: Freie Lastenräder, 2. Platz: MVG Rad Landkreis – Der Landkreis München steigt auf, 3. Platz: Fahrrad2Go – Radmitnahme im Linienbus leicht gemacht
Kategorie „Kommunikation“
1. Platz: #RingFrei, Köln, 2. Platz: Fahr Rad! Die Rückeroberung der Stadt, ebenfalls 2. Platz: Radmesser Berlin
der-deutsche-fahrradpreis.de
Was #RingFrei mit dem Geld anstellt, steht fest: Initiator Reinhold Gross möchte KASIMIR unterstützen und ein „RingFrei-Lastenrädchen“ sponsern. Seine Initiative gewann in der Kategorie „Kommunikation“. Gross organisierte Demonstrationen, vernetzte Politik, Einzelhandel und Gesellschaft. In einem Zehn-Punkte-Plan forderte er ausgefeilte Maßnahmen für sicheres Radfahren.
Die Initiative gründete sich, nachdem es im Jahr 2015 auf dem Kölner Ring zu einer Reihe teils tödlicher Unfälle mit rechts abbiegenden Autos kam. Die Radwege waren für Autofahrer schlecht einzusehen und zudem in schlechtem Zustand. Gross sagt: „Auf den Ringen haben wir Tempo 30 durchgesetzt. Die rechte Spur gehört den Fahrradfahrern. Das sind große Erfolge.“
In der Vergangenheit haben Gewinner des Deutschen Fahrradpreises der Verkehrspolitik neuen Schwung gegeben. So brachte der Volksentscheid Fahrrad das Thema Radfahren 2016 in den Berliner Wahlkampf. 2017 verhandelte die Initiative mit der Landesregierung das Berliner Mobilitätsgesetz, das im vergangenen Juni verabschiedet wurde. Der Volksentscheid Fahrrad, der dafür 2018 in der Kategorie „Kommunikation“ den ersten Platz belegte, hat inzwischen eine Reihe von Nachahmern gefunden. In Nordrhein-Westfalen lief eine Unterschriftensammlung bis Mitte Mai. In Bamberg, Bremen, Darmstadt, Frankfurt am Main, Hamburg, Kassel, München, Regensburg, Rostock und Stuttgart starteten Aktivistinnen und Aktivisten ähnliche Petitionen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen