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Das Kirchhof-Modell

25 Prozent Einkommensteuer. Ausnahmen keine. Fast keine

BERLIN taz ■ Niemand kann so schön über Steuern sprechen und schreiben wie Paul Kirchhof. „Unser Steuerrecht“, dichtete er einst, „ist ein total verstimmtes Klavier. Wir nutzen es, indem wir ihm virtuos schöne Klänge der Steuerersparnis entlocken.“

Nur braucht keiner hoffen, dass der Mann Finanzelegien um ihrer selbst willen verfasst. Der ehemalige Verfassungsrichter will das Steuerrecht ändern und radikal vereinfachen. „Notwendig wäre ein Klavierstimmer, der das Instrument auf die gesetzlich gemeinte Melodie einstimmt: Steuer zahlt, wer wirtschaftlich erfolgreich war.“

Solange Kirchhof den Taktstock in Karlsruhe schwang, wurden die Regierenden stets nervös. Seit er nur noch Steuerprofessor in Heidelberg ist, versuchen sie ihn für sich zu gewinnen oder zu kopieren. Der Vater der vielen Entwürfe von Simpelsteuern ist daher Kirchhof mit einem Konzept, das er als „Garten der Freiheit“ bezeichnet.

In Kirchhofs Steuerparadies gibt es nur einen Steuersatz von 25 Prozent. Und den bezahlen alle, egal ob sie Löhne, Gewinne oder Dividenden bekommen. Von diesem Prinzip gibt es nur wenig Ausnahmen. Erstens erhalten Menschen Grundfreibeträge von jeweils 8.000 Euro. Zweitens dürfen Paare ihr Einkommen zwecks Besteuerung splitten, also günstig teilen. Drittens gibt es einen ermäßigten Steuersatz (15 Prozent) für Einkommen bis 18.000 Euro. Viertens: Gibt es keine Ausnahme mehr.

Kirchhofs freiheitliches Steuermodell ist grundsätzlich abgeleitet: Der Staat darf die Freiheit des Einzelnen nicht unnötig einschränken. Und: Die Familie als Keimzelle der Zukunft muss geschützt werden. Daher beurteilt er auch die Mehrwertsteuer rigide. Kirchhof ist, anders als die CDU, eindeutig gegen ihre Erhöhung. Die Schwäche dieser Idee sei, dass „derjenige, der sein ganzes Einkommen konsumieren muss, weil er kleine Einkommen hat oder weil er eine Familie hat, die Mehrwertsteuer voll bezahlen muss“.

Paul Kirchhof weiß, welch profanen Angriffen sein steuerlicher Garten Eden ausgesetzt sein wird. Als die Finanzminister, in Mehrheit solche der CDU, sein Konzept vergangenes Jahr durchrechnen ließen, dekretierten sie schlicht: Unbezahlbar. Zwischen 40 und 90 Milliarden Euro koste das im Übrigen hübsche Modell. Kirchhof sagte jüngst, es brauche eine „robuste Herangehensweise“, um sein freiheitliches Steuermodell durchzusetzen. Da dürfte er gewusst haben, das Angela Merkel ihn in ihr Kompetenzteam beruft. CHRISTIAN FÜLLER

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