Früher war mehr Tabu-Bruch

taz Bremen-Mitbegründer und „Stern“-Zeichner Til Mette stellt ab heute 40 seiner neueren Cartoons in der Bremischen Bürgerschaft aus. Nebenbei hofft er auf einen rot-rot-grünen Senat

VonJan Zier

Bei dem Titel haben sie sich etwas verhoben, aber dafür kann Til Mette nichts. „Macht, was ihr wollt“, hat er ihnen gesagt, und dann ist es arg staatstragend ausgefallen. „70 Jahre Grundgesetz“ steht da nun, aber es ist eben auch die Bremische Bürgerschaft, die ihn ausstellt. Dabei ist die Verfassung ja gar nicht so sein Thema.

Im Landesparlament also wollen sie eine „exklusive Auswahl“ aus 40 Karikaturen „zu den Themen Grundgesetz, Gesellschaft und ein ‚Bremen Spezial‘ zur Bürgerschaftswahl“ zeigen, wie es etwas ungelenk heißt. Man könnte auch sagen, es ist ein Potpourri. Vornehmer formuliert würde man es lieber ein „Best of“ nennen. Denn für eine Retrospektive ist es bei Til Mette noch zu früh, auch wenn es sich der 62-jährige Mitbegründer der taz Bremen selbst als „alten Sack“ bezeichnet.

Viele Zeichnungen, die ab heute hier zu sehen sind, stammen aus dem Wahlkampf, sind also schon Geschichte. Solange die Frage des künftigen Senates offen ist, sind sie weiterhin ungemein aktuell. Gotthard-Tilmann Mettes Meinung ist da übrigens sehr eindeutig: „Rot-rot-grün“ ruft er aus, wenn man ihn nach seiner Präferenz fragt – „eindeutig!“. Also der Sieling, der hätte es ja nicht verdient, weiterzumachen, findet Mette, der habe „kein Charisma“, mache als Verlierer aber jetzt auf dicke Hose. Doch die Grünen findet er „sehr smart“, und auch von deren Spitzenkandidatin Maike Schaefer ist er „völlig begeistert“ – mittlerweile jedenfalls. Von Kristina Vogt, der Fraktionschefin der Linken aber auch – „und ich bin nicht per se ein Fan der Linken!“. Vogt indes hält er für „wahnsinnig glaubwürdig“. Und Carsten Meyer-Heder? Ja, der sei „sehr sympathisch und integer“. Allein: Die CDU hinter ihm sei immer noch eine „Schlangengrube“. Auch die Worte „Wadenbeißer“ und „Kläffer“ fallen.

Manches von dem, was er früher veröffentlicht hat, würde er heute nicht mehr zeichnen, sagt Til Mette. Einen evangelikalen Pastor mit erigiertem Penis und Jesus-Figur dran etwa, „da bin ich rausgewachsen“. Der reine Tabu-Bruch berühre ihn heute nicht mehr so, und außerdem altere ja auch sein Publikum mit ihm mit – 40plus sind sie heute fast alle, mindestens.

Früher wollte er „wachrütteln“. Heute glaubt er nicht mehr an die „Kraft der eigenen Botschaft“

Deshalb muss er sich nun manchmal anhören, dass er früher bissiger war. Da ist der Elefant im bürgerlichen Wohnzimmer, er symbolisiert die AfD, und der Satz dazu: „Einfach ignorieren, sonst steigt ihm das noch zu Kopf.“ Im Stern, für den er seit 1995 zeichnet, müsse er keinen überzeugen, dass er die AfD doof finde, sagt er dann, und dass er keine „Hau-Drauf-Symbolik“ bedienen wolle.

Und während er früher die Leute habe „wachrütteln“ wollen, oder „erziehen“, glaubt er heute nicht mehr dran, dass eine Zeichnung Leute verändert: „Du glaubst nicht mehr an die Kraft der eigenen Botschaft“, sagt Mette, und dass man sich doch eher in seiner eigenen Community gegenseitig selbst bestätige.

Zwölf Jahre hat Mette in Bremen gelebt, ab 1980, ehe er nach New York und 2006 nach Hamburg ging. Und noch immer ist er Bremen sehr verbunden, nicht nur weil er einmal in der Woche im Weser-Kurier erscheint, und immer mal wieder in der hiesigen taz. Auch der Bremischen Bürgerschaft ist er sehr dankbar: Deren mittlerweile verstorbener Präsident Christian Weber (SPD) habe seit vielen Jahren „sehr mutig“ Karikaturen ausgestellt – „auch die reinste Blasphemie“. Jetzt setze seine Nachfolgerin das fort. Nur.: Jedenfalls hier wird bald die CDU das Sagen haben.

Eröffnung: 19:30 Uhr, Bremische Bürgerschaft