Videobeweis versagt im Finale

Esperance Tunis wird vorzeitig zum afrikanischen Champions-League-Sieger erklärt. Ein nicht gegebenes Tor verstärkt den Korruptionsverdacht

Aus Tunis Mirco Keilberth

Es ist der größte Skandal in der Geschichte der afrikanischen Champions League. Seit 55 Jahren wird der Wettbewerb bereits ausgetragen. Aber ein Endspiel, das bereits nach einer Stunde beendet wurde, gab es bislang nie. In dem verkürzten Finale gewann Titelverteidiger Esperance Tunis am Freitag in der tunesischen Hafenstadt Rades zum vierten Mal den größten Kontinental-Titel. Der 1:0 Sieg gegen Wydad Casablanca wird jedoch allen in Erinnerung bleiben.

Der Vorstand des marokkanisches Meisters will wegen des vorzeitig beendeten Spiels das Resultat nicht anerkennen und beim Kontinentalverband Caf Einspruch einlegen. Schon beim 1:1 im Hinspiel in Casa­blanca waren ein offensichtliches Tor und ein Elfmeter für Wydad nicht gegeben worden.

Im Rückspiel sahen die 60.000 tunesischen Fans nach einem sehenswerten Treffer von Mohamed Belaili (41. Minute) ihren Klub bereits auf dem gewünschten Weg zum großen Triumph, als den Gästen durch Walid Karti (59.) vermeintlich der Ausgleich gelang. Es wurde allerdings nur kurz still im Stadion. Denn Schiedsrichter Bakary Gassama aus Gambia hatte einen Rempler des Stürmers gesehen und annullierte den Treffer. Die Spieler von Wydad forderten den Videoschiedsrichter auf, die Situation auf dem am Spielfeldrand aufgebauten Bildschirm zu überprüfen. Doch den Teams war vor Spielbeginn nicht mitgeteilt worden, dass die Aufzeichnung aufgrund eines technischen Defekts angeblich nicht abrufbar war.

Nun ließen die Wydad-Spieler ihrer Wut über das nicht gegebene Tor freien Lauf und weigerten sich weiterzuspielen. Der Schiedsrichter des Hinspiels, der Ägypter Jihad Grisha, der Wydad in Casa­blanca einen Elfmeter verweigerte und den Videobeweis nach einem Foul gegen die Marrokaner ablehnte, war übrigens nach dem Spiel von der Caf wegen den offensichtlichen Fehlentscheidungen für sechs Monate gesperrt worden.

An eine technische Panne wollten die Wyad-Spieler wohl auch deshalb in Tunis nicht mehr glauben. Den Rangeleien zwischen den Teams, dem Schiedsrichtergespann und Offiziellen beider Teams folgte eine Spielunterbrechung. Ein Wydad Spieler riss schließlich den Bildschirm aus der Verankerung und schleppte ihn auf den Platz. Esperance-Fans versuchten die Trainerbank des Gästeteams zu stürmen, wurden aber von der Polizei zurückgehalten.

Nachdem der Chef des afrikanischen Fußballverbands, Ahmed Ahmed, die Marokkaner nicht überreden konnte, ohne die für die Champions League Finals vorgeschriebene Videobeweistechnik weiterzuspielen, entschied Schiedsrichter Gassama schließlich 90 Minuten nach Abbruch des Spiels, die Partie nicht fortzusetzen und 1:0 für Esperance Tunis zu werten. Das Team kam für eine kurze Siegesfeier zurück auf den Platz und erhielt von Premierminister Youssouf Chahed den Pokal.

Unter den in Tunis angereisten Experten und Kommentatoren aus anderen afrikanischen Ländern ist unterdessen die Sorge groß, dass der am vom 21. Juni bis 19. Juli stattfindende Afrika Cup im Schatten von Korruptionsvorwürfen stehen wird. „Was in dem Spiel zwischen Tunis und Casablanca passiert ist, könnte negative Auswirkungen auf die Reputation des afrikanischen Fußballs insgesamt haben“, kommentierte der ehemalige ägyptische Nationaltorwart Essam Al Hadary.

Saif Naciri, der Präsident von Wydad Casablanca, kündigte an, vor dem internationale Sportgerichtshof Cas und der Fifa gegen die Entscheidungen vorzugehen. „Nach diesem Massaker an Fehlentscheidungen gegen uns vertraue ich dem afrikanischen Verband nicht mehr, Afrikas Fußball ist ernsthaft in Gefahr.“

Der Videoschiedsrichter des Spiels war Janny Sikwanze, der im letzten Jahr wegen Korruptionsverdacht pausieren musste. Ort des verdächtigen Spiels war wie in diesem Jahr Tunis und der Gewinner Esperance Sportive.