: Katrin Bettina Müller schaut sich in den Galerien von Berlin um
Er schaut sich um im Nahbereich: Diesmal sind es der Wasserkocher und die Ecke hinter der Tür, die Jacke, die über dem Stuhl hängt, oder auf dem Boden liegt, auf die Lorcan O’Byrne, ein schon lange in Berlin lebender Maler aus Irland, seinen Blick gerichtet hat. Beiläufig sind seine Bilder, aber auch genau, die in den kleinen Räumen des Secondhome Projekt-Raums im Wedding auch am richtigen Platz scheinen. Von ihm konnte man schon viele Porträts seiner Freunde und Familie sehen, auch Stillleben der Bücher, die er liest, mit dem vollen Aschenbecher obenauf. Das hat etwas Beruhigendes, dieses Festhalten an einer Realität jenseits des Virtuellen, fern von übermittelten Nachrichten und angesagten Diskursen. Idyllisch oder verklärt ist dieses Festhalten am Greifbaren dennoch nicht - O‘Byrnes Bilder haben in ihrem ruhigen Malduktus auch etwas überraschend Nüchternes.
Von Michael Sailstorfer ist in der Berlinischen Galerie noch bis 8. Oktober eine großartige Installation zu sehen, in der an der Decke aufgehängte Bäume sich drehen, ihre Äste aneinander reiben und dabei kahler und kahler werden. Der Faktor der Zeit und der Abnutzung spielt auch in Bildern einer Rolle, die er bei Johann König zeigt. Denn zum einen hat er auf großen Leinwänden Labyrinthe aufgebracht, gemalt oder geklebt, eine Sache der Geduld. Manche von ihnen sind auch in einem Hirn angesiedelt. Dann sucht er, wie in einem Spiel, seinen Weg durch das Layrinth, mit der Sprühdose, also in einem Rutsch und als schnelle Aktion. Dabei stößt er auf Blockaden und erlebt auch Erfolge – der Prozess wird zum Sinnbild. Denn das Ziel, möglichst ohne Widerstände den Weg zu finden, erweist sich auch als zweischneidig – die Spannung fällt nach kurzer Euphorie in sich zusammen. Dann bleibt dem Künstler nichts anderes übrig, als sich die nächste Aufgabe zu suchen.
■ Lorcan O’Byrne, Stuhl und Jacke, Secondhome Projects, Reinickendorfer Str. 66, Sa + So 14–18 Uhr, bis 14. Oktober
■ Michael Sailstorfer, Hauptweg und Nebenwege, Johann König, Dessauer Str. 6/7, Di–Sa 11–18 Uhr, bis 20. Oktober
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