berliner szenen: Verstehen wie durch einen Nebel
Meist stehe ich nach dem Aufwachen nicht wirklich auf, sondern mach nur schnell Kaffee und leg mich dann wieder ins Bett, um zu lesen. Durch Clemens Setz’ Roman „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ war ich auf Stephen King gekommen und lese nun alles, was in der AGB nicht ausgeliehen ist. Gerade zum Beispiel „Finders Keepers“.
„We didn’t plan anything – it was a story we were telling ourselves. I thought you understood that“, sagt der Freund seinem Freund, nachdem dieser erzählt hat, dass er vor ein paar Tagen den berühmten Schriftsteller ermordet hat, der seit Jahren nichts mehr veröffentlicht, um an dessen Notizbücher zu kommen. Sie hatten oft darüber gesprochen, doch so war es nicht gemeint gewesen. Oft führt es zu Mord- und Totschlag, wenn man Geschichten zu wirklich nimmt. Daran sollten die ganzen Ex-Studenten denken, wenn sie ständig von Narrativen reden.
Später chatte ich mit T. beunruhigende Nachrichten aus Indonesien; die sozialen Netzwerke werden vorübergehend geschlossen. Die Verbindung unterbricht mehrmals, am Ende steht nur noch error. Ich gucke die Breaking News in einem indonesischen Fernsehsender und kopiere die Kommentare der Nutzer in den Translator; man versteht ein bisschen wie durch einen Nebel und vieles nicht, wenn Schildkröte etwa sagt, „ich möchte, dass die Demo angewiesen wird, die orangene Unschärfe zu senden“.
Bevor mich die Erinnerung an die Live-Berichte aus Kiew und Istanbul vor ein paar Jahren völlig fertigmacht, rufe ich endlich Herrn K. an, den Handwerker, wegen der Armatur in der Küche, die seit einem Jahr kaputt ist. Als die Verwalterin und der Handwerker im März ein verrostetes Rohr im Badezimmer entdeckt hatten, hatte ich dummerweise gesagt, ich wolle nicht drängeln.
Detlef Kuhlbrodt
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