Islamismus nimmt laut Geheimdienst zu: Geisel will mehr Verfassungsschutz
Innensenator stellt den Bericht des Verfassungsschutzes vor und will mehr Geheimdienstler einstellen – gegen zunehmenden Islamismus
Geisel bezeichnete den Verfassungsschutz als „Frühwarnsystem“, dessen Notwendigkeit der aktuelle Jahresbericht wieder einmal deutlich mache. Berlin übe als Hauptstadt eine Anziehung auf Extremisten jeder Couleur aus, sagte er. Die nutzten die Stadt aus Sicht des Verfassungsschutzes „als Experimentierfeld für neue Themen und Strategien.
Die Zahl der Salafisten stieg dabei gegenüber 2017 um 70 auf 1.020. Damit fiel der Anstieg zwar geringer aus als im Vorjahr, als diese Gruppe um 110 Personen gewachsen war. „Die schwindende Dynamik ist aber kein Grund für Entwarnung“, sagte Geisel. Die Gefährdungslage durch islamischen Terrorismus sei weiterhin hoch. Der Verfassungsschutz beobachtet weiter mehrere Moscheen.
Im rechtsextremen Spektrum gab es laut Bericht keinen Anstieg, sondern einen Rückgang um 20 Personen auf derzeit 1.410 Mitglieder. Geisel wies aber darauf hin, dass sich neben den neonazistischen Strukturen ein „dezidiert muslim- und fremdenfeindliches Netzwerk“ verfestigt habe, unter anderem aus dem Pegida-Ableger Bärgida: „Dieses Netzwerk ist mitverantwortlich für eine Verrohung des Diskurses.“ Linksextremisten zählt der Verfassungsschutz aktuell 3.140, 190 Personen mehr als im Vorjahr. Den Anstieg führt Geisel auf Mitgliederzuwachs beim Verein „Rote Hilfe“ zurück.
Grüne reagieren skeptisch
Wie viele zusätzliche Mitarbeiter er gerne für mehr Aufklärung hätte, ließ der Innensenator offen. Offiziell gab es auch keine Informationen über die aktuelle Stellenzahl: Dazu mache man keine Angaben, sagte Michael Fischer, der seit einem halben Jahr amtierende neue Chef des Berliner Verfassungsschutzes. Der ist anders als in anderen Bundesländern kein eigenständiges Landesamt, sondern eine Abteilung der Senatsverwaltung für Inneres.
Geisels Prognose, seine Koalitionspartner könnten über eine Personalaufstockung nicht glücklich sein, erwies sich als richtig. „Wir stehen dem grundsätzlich skeptisch gegenüber“, sagte die Abgeordnete June Tomiak der taz, Verfassungsschutz-Expertin der Grünen-Fraktion. Sie sei gerne bereit, sich Geisels Vorschläge anzuhören. Und dass radikaler Islamismus ein Problem darstelle, mochte sie auch nicht bestreiten. Man setze aber auf mehr Prävention: „Wir Grünen sind grundsätzlich nicht davon überzeugt, dass der Verfassungsschutz dabei das beste Instrument ist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!