Torben Becker sichtet die sozialen Bewegungen der Stadt:
Am 26. Mai wird ein neues Europaparlament gewählt und seit Monaten wird erklärt: Jetzt gilt’s, das ist eine Schicksalswahl, deine Stimme zählt usw. Manche Rhetoriken haben den Beigeschmack von Torschlusspanik, denn die Drohkulisse spaltender Nationalismen in Europa stellt tatsächlich eine Gefahr für das erfolgreichste Friedensprojekt der Welt dar. Man erinnere sich an 2012, als die EU den Friedensnobelpreis für ihren „Einsatz für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte in Europa“ verliehen bekam. Das klingt nach vergangenen Zeiten und spricht noch heute denjenigen Hohn, die in der EU nicht repräsentiert, kriminalisiert und illegalisiert werden. Der fiese Hintergrundsound zur Europawahl ist längst das (rechts-)populistische Säbelrasseln, und auch der gestandene Konservatismus, der einst brennender Fürsprecher der europäischen Einigung war, verlegt das Gros seiner Energie auf nationalistische Abschottungsfantasien und wird zum anschlussfähigen Vehikel für alle, die rechts des gesunden Menschenverstandes leben. Also jetzt gilt’s, jedoch nicht erst in den Wahlkabinen: Es gibt unzählige Gruppen, Initiativen und Bündnisse, die für ein progressives und emanzipiertes Europa kämpfen. Das kann aber nur gelingen, wenn wirklich alle Menschen unabhängig ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Herkunft, ihres Aufenthaltsstatus etc. ein selbstbestimmtes Leben führen und sich in politische Prozesse einbringen können. Am Freitag, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Trans- und Bi-Phobie, rufen der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) und das Bündnis gegen Homophobie auf, gegen feindliche Tendenzen gegen gleichgeschlechtliche Liebe zu protestieren (17. 5., Kaiser-Wilhelm-Platz, 16 Uhr).
Am Samstag wird mit der „We Rise“-Demonstration gegen eine gewalttätige patriarchale Gesellschaft gekämpft. Im Aufruf erklären die Aktivist*innen, sie wollen Schulter an Schulter unabhängig vom Geschlecht gegen sexuelle Belästigungen auf die Straße gehen (18. 5., Hermannplatz, 12.30 Uhr).
Am Sonntag geht es dann um nichts Geringeres als das eine Europa, dass vor den Wahlen so oft beschworen wird. Das Demonstrationsmotto „Ein Europa für alle“ wird neben Berlin in sechs weiteren deutschen Städten sowie in anderen europäischen Hauptstädten auf der Straße eingefordert. Die Großdemonstrationen teilen sich in unterschiedliche Blöcke und werden dadurch zum multiplen Ausdruck gegen Nationalismus, Rassismus und Abschottung (19. 5., Alexanderplatz, 12 Uhr).
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