„Land des Lächelns“ ist nur Fassade: Thai-Dissidenten leben gefährlich
In Thailand kommt es kaum noch zu den berüchtigten Klagen wegen Majestätsbeleidigung. Dafür gibt es immer mehr Entführungen von Juntakritikern.
Die Aktivisten, die sich auf der Flucht vor dem Militärregime in Bangkok befanden, sollen schon lange im Visier der Autoritäten gestanden haben. Während Familien und Menschenrechtler Aufklärung von Thailands Polizei und Behörden fordern, behauptete unter anderem Vize-Juntachef Prawit Wongsuwan laut thailändischen Medien, er habe darüber keine Kenntnis. Dabei hatte er im September 2018 selbst geschworen, alle „Verräter“ und „Geächteten“ festnehmen zu lassen.
„Die mutmaßlich geheime und erzwungene Überstellung der drei prominenten Aktivisten durch Vietnam nach Thailand sollte die internationale Gemeinschaft alarmieren“, fordert Brad Adams, Asienchef von Human Rights Watch.
Gemutmaßt wird, dass die drei nach Vietnam flohen, nachdem Ende 2018 Meldungen die Runde machten über Morde an Dissidenten, die sich nach dem Militärputsch vom Mai 2014 nach Laos abgesetzt hatten.
Gewaltkampagne gegen Kritiker?
Die drei prangerten aus dem Exil die Zustände in Thailand an und forderten teils offen eine Republik. Doch womöglich sind diese Verbrechen auch Teil einer systematischen Gewaltkampagne, die sich gegen Kritiker der Monarchie und das Militärregimes richtet.
So waren im Dezember 2018 am Ufer des Mekong die Leichen von Kraidej Luelert and Chatchan Buphawan angeschwemmt worden. Ihre verwesenden Körper waren an Händen und Füßen gefesselt, ausgeweidet und mit Beton beschwert worden.
Beide galten als enge Unterstützer des prominenten Anti-Monarchie-Aktivisten Surachai Danwattananusorn. Der gilt inzwischen auch als tot. Zuvor waren 2016 und 2017 weitere Dissidenten verschleppt worden.
Prekäre Lage der Menschenrechte
Verbrechen wie diese zeigen erneut, dass hinter der sanftmütigen Fassade des als „Land des Lächelns“ verkannten Urlaubsziels Thailand Gewalt und Grauen herrschen. Vor allem nach dem Putsch 2014 war die Anzahl von Klagen wegen Majestätsbeleidigung (Lese Majeste), die pro Anklagepunkt bis zu 15 Jahre Haft einbringen können, in die Höhe geschossen.
Nach Angaben der Betreiber des regimekritischen Blogs „Political Prisoners in Thailand“ wurden zwar 2018 – offiziell jedenfalls – keine neuen Lese-Majeste-Fälle bekannt. Das änderte aber nichts an der prekären Menschenrechtslage. Denn das Gesetz gegen Majestätsbeleidigung ist weiter in Kraft wie auch das gegen „Aufwiegelung“ und gegen „Computerkriminalität“. Die Gesetze werden missbraucht, um Regimekritiker mundtot zu machen.
Für Kritiker wie die Organisation „Political Prisoners in Thailand“ steht fest: „Seit König Vajiralongkorn den Thron bestiegen hat, sind die Fälle von Lese Majeste praktisch verschwunden. Stattdessen wurden Morde und Entführungen offenbar dazu benutzt, um aus Thailand geflohene Kritiker zum Schweigen zu bringen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden