Revierderby in der Fußball-Bundesliga: Ein Diplomat in Königsblau
Vor dem Derby bei Borussia Dortmund gibt sich Schalke-Trainer Huub Stevens reserviert. Über die Gründe für die Krise seines Klubs will er nicht sprechen.
Stolz sind die Schalker auf ihren Dusel und die Schwäche der Konkurrenz nicht – schon gar nicht vor dem großen Revierderby am Samstag. Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel klaffte die Lücke zwischen Dortmund und Schalke noch nie so schmerzhaft wie in diesem Frühjahr. 42 Punkte trennen die beiden Klubs! Oder wie es Chefdiplomat Stevens formulierte: „Sie“ – er meint die schwarz-gelbe Konkurrenz – „spielen um die Meisterschaft. Und wir um etwas anderes. Da können wir nicht lügen.“
Denn die Wahrheit ist: Der Ligaerhalt ist das letzte, ausgesprochen dürre Ziel der Gelsenkirchener – deren Sportvorstand Jochen Schneider soeben die zahlreichen guten Personalentscheidungen und die insgesamt positive Entwicklung des BVB im zurückliegenden Jahrzehnt lobte. Auch die Westfalen bemühten sich um aufmunternde Worte für den abgestürzten Nachbarn. „Wir finden es gut, wenn diese Rivalität in der ersten Liga gelebt werden kann“, sagt BVB-Sportdirektor Michael Zorc. Von einer S04-Revanche für den 12. Mai 2007 will der frühere Mittelfeldspieler allerdings nichts wissen. Vor zwölf Jahren zerstörte das Dortmunder 2:0 im Derby die Schalker Meisterschaftsträume am vorletzten Spieltag auf brutale Weise. „Die Vorzeichen sind komplett anders“, glaubt Zorc. Der Grund: „Weil wir in Dortmund spielen.“
Bei Schalke gefällt Stevens nicht, wie einige Spieler mit der misslichen Lage umgehen. Der Algerier Nabil Bentaleb, den er bereits im März aus disziplinarischen Gründen zur U23 abkommandiert hatte, wurde gerade zum zweiten Mal ins Reserveteam strafversetzt. Im März weilte Bentaleb zwei Tage nach der Geburt seiner Zwillinge noch bei seiner Frau im Krankenhaus – anstatt bei Stevens’ Einstiegsmatch gegen Leipzig zu erscheinen. Diesmal lag die Verfehlung des 24-jährigen Mittelfeldakteurs in einem geschwänzten Deutschkurs.
Lobenswertes Gegenbeispiel Kutucu
„Ich finde es schade, aber ich konnte nicht anders. Ich habe mich bei mehreren Leuten erkundigt, um sicher zu sein. Es ist immer noch ein Mannschaftsport“, formulierte Stevens seinen Ärger über Bentaleb vor dem emotional wichtigsten Duell der Rückrunde. Und weil offensichtlich auch der Marokkaner Amine Harit kürzlich dem Sprachunterricht fernblieb (und mit einer Geldstrafe davonkam), nutzte der 65-Jährige die Gelegenheit, mit Ahmed Kutucu gleich ein lobenswertes Gegenbeispiel zu erwähnen: Der 19-jährige Angreifer steckte zuletzt mitten in seinen Abiturprüfungen, fragte das Schalker Trainerteam von sich aus, ob er in der U19 und U23 mitspielen könne – wo er sich prompt für weitere Aufgaben bei den Profis empfahl.
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„Das sind kleine Schritte, die ich als positiv empfinde“, kommentierte Stevens Kutucus Eigeninitiative. „Kompliment.“ Der gebürtige Gelsenkirchener könnte beim Derby nun in der Startelf stehen. Stevens will das Talent nicht verheizen, sagt aber auch: „Spieler, die Leistung für die Mannschaft bringen, halte ich nicht zurück. Egal ob sie 19 oder 30 sind.“
Weniger sicher ist sich der Niederländer nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen, ob sein Rasenpersonal die Herausforderung Derby mit der richtigen Einstellung angeht. „Sicherheit habe ich nicht, aber ich hoffe es“, erklärt der Mann, der wohl gerne auch mal über die Gründe sprechen würde, warum sein Team die vorhandenen Fähigkeiten immer nur sporadisch aufblitzen lässt. „Ich kann und darf nicht alles ehrlich sagen. Vielleicht kommt das noch – vielleicht intern, vielleicht in der Öffentlichkeit“, sagt Huub Stevens. Ganz diplomatisch.
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