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taz-Thema der Woche

Judith Butler und der Theodor-W.-Adorno-Preis

Genderecke

■ betr.: Adorno-Preis für Judith Butler, taz vom 11. 9. 12

Eine Professorin, die 1997 zu Genderthemen publizierte und seitdem ihren Forschungsfokus immer wieder verlegte, ist und bleibt auf dem taz-Titelblatt „die Gendertheoretikerin“. Es geht um Hisbollah, Hamas und Israel, sie hat zu „Raster des Krieges“ (2010) und „Kritik, Dissens, Disziplinarität“ (2011) publiziert, aber sie wird nicht Friedens- und Konfliktphilosophin genannt, sondern bleibt in der Genderecke. Und das in dem Titel, wo ihr Text angekündigt wird, in dem sie zu fremdbestimmter Identitätskonstruktion schreibt und kein Wort zu Geschlechterfragen fällt.

JEAN PETERS, Berlin

Krawallmacher

■ betr.: „Lob der Zwischentöne“, taz vom 11. 9. 12

Der Zentralrat tut alles, um für das gehalten zu werden, was er nach eigener Aussage nicht sein möchte, nämlich der Anwalt Israels. Er meint bestimmen zu können, wer Israelhasser und Antisemit ist. Wie das immer wieder jüdisch gläubige Menschen sein sollen, deren Kritik an Israel nicht passt, bleibt ein Rätsel. Man hatte die Hoffnung, der Zentralrat würde nach dem unglücklichen Vorsitz von Frau Knobloch wieder an Zeiten Spiegels oder Bubis’ anknüpfen. Leider scheinen weiter Krawallmacher in der Verantwortung zu sein, die der katholischen Bischofskonferenz Konkurrenz machen. M. MEISTER, Kassel

Bewundernswerte Geduld

■ betr.: „Wir maskieren die Realität“, taz.de vom 11. 9. 12

Okay, ich hab keinen Plan, worum es in Judith Butlers Publikationen geht, irgendwas mit Postgender, glaub ich. Muss trotzdem mal loswerden, dass ich das Gefühl habe, gewisse Leute wollen sie mit voller Absicht missverstehen, was ihre Äußerungen zu Israel und Umgebung angeht. So ein absichtliches Missverstehen finde ich äußerst schändlich, und die Geduld und Sachlichkeit, mit der sie selbst auf die beklopptesten Vorwürfe eingeht, ist bewundernswert.

Das unfehlbare Gastorakel, taz.de

Antikumpelei ist fehl am Platz

■ betr.: „Wir maskieren die Realität“, taz.de vom 11. 9. 12

Judith Butler soll den Preis bekommen. In meinen Augen verdeutlicht ihre Sicht unter Einschluss ihrer jetztigen Klarstellung allerdings auch generelle Schwächen des linken Bindestrich-Anti-Ismus, für den ihr Name im Anschluss an Foucault wie kein anderer steht.

Aus lauter Angst, auszugrenzen, keine normative Bestimmung der – temporären – Zugehörigkeit zur „Linken“ wagen? Warum? Soziale, also politische, philosophische usw. Verantwortung hört nicht bei der jeweiligen Peergroup auf. Links wäre in dem Falle, dazu beizutragen, dass Hamas und Hisbollah sich nach links entwickeln, was auch die Akzeptanz des israelischen Staates voraussetzt. Antikumpelei wäre da ganz fehl am Platze. Aber alles „Antiherrschaftliche“ hat seine sozial reaktionären und (seine öko-)humanistisch emanzipatorisch Dispositive. Es käme vielleicht darauf an, auf die Bedingungen Einfluss zu nehmen, unter denen sich das sozial Angelegte in die eine oder andere Richtung entwickelt. Aber da wären wir dann ja wieder beim verfemten Marx. Hans-Hermann Hirschelmann, taz.de

Schwarz und Weiß

■ betr.: „Israelische Orangen“, taz vom 4. 9. 12

Viele, die Butler seit 1991 zum „Popstar“ erklärt haben, kritisieren sie jetzt so hart, als hätten sie ihre Schriften nie gelesen. Das sind extreme Gegensätze, die dem unsäglichen Schema der Medienhypes ähneln. Schwarz und Weiß.

Dass dabei manchmal gerade die mitspielen, die immerzu von dem „Anderen“ und dem „Wir“ und der Vielfalt ihrer selbst reden, Kritik an den Postmodernen aber sofort monokausal und hart ablehnten, ist eine ironische Nebengeschichte.

Judith Butler wird jetzt nicht sachlich kritisiert, sie wird, wie von Stephan Grigat und anderen „Anti-“Deutschen, niedergemacht. Da stimmt dann wirklich nichts, und Judith Butler ist nie Anti-Semitin gewesen. Georg Fries, taz.de

Unakademisch argumentiert

■ betr.: „Ist Judith Butler preiswürdig?“, taz vom 4. 9. 12

Es wird bei den Stellungnahmen doch recht unakademisch, unwissenschaftlich und irreführend argumentiert.

Der unterstellte Unterschied zwischen Judith Butler und Theodor W. Adorno, sie würde Gewalt befürworten (das genaue Gegenteil ist der Fall) und hätte keine Sympathien für Israel (aus dem Boykott kann man auch anderes herauslesen) ist primitiv.

Der Soziologe Detlev Claussen argumentiert gar nicht mehr, unterstellt einfach „dumme Ansichten“ und verlässt sich statt auf empirische Argumente lieber auf seine linguistische Kritik an Habermas (what the fuck?) und einen zusammenhangslosen Kommentar zur Kritischen Theorie der Frankfurter Schule, da schämt man sich als Soziologe für seine Zunft.

Der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman kritisiert immerhin als Politiker. Seine Unterstellung, der Grund des Boycotts der Initiative Boycott, Divestment, Sanctions wäre plumper Antisemitismus und Antizionismus (und nicht – zumindest auch– das Ziel des Endes der Besatzung, der Einhaltung von UN-Konventionen, Völker- und Menschenrecht) sei ihm verziehen. drui, taz.de

So eifre nun ein jeder …

■ betr.: „Israelische Orangen“, taz vom 4. 9. 12

Der Streit zwischen Butler und Stephan Kramer ist ein theologischer: Ist Israel identisch mit dem Staat Israel oder ist es eine unsichtbare Größe, so wie Luther gegen die katholische Kirche deren Unsichtbarkeit behauptete? Die Legitimität der Repräsentation kann nur mit Lessing beantwortet werden: So eifre nun ein jeder seiner von Vorurteilen freien Liebe nach. (Nathan der Weise) Es ist weder hilfreich, dem Staat Israel jede Legitimation abzusprechen, noch den den Palästinensern möglichen Organisationen. Weder die Verfehlungen Israels noch die Palästinas entheben der Aufgabe, den hier lebenden Menschen lebenswürdige Bedingungen zu verschaffen. Wenn man dazu die Stichwörter Wasser und fruchtbares Land als realpolitische Größen nimmt, wird deutlich, dass der Einsatz für den Anderen, den die jüdische Prophetie zum Zentrum des Judentums erhoben hat, als Regulativ der Realisation schmerzlich harrt. johannes, taz.de

Antisemitische Verkürzung

■ betr.: „Kein Richtiges im Falschen“, taz vom 13. 9. 12

Judith Butler soll Antisemitin sein? In diese Ecke wollen prominente Mitglieder des Zentralrats der Juden sie schubsen. Der Vorwurf hat sie, wie sie selber sagt, schmerzlich getroffen. Schließlich hat sich die Philosophin intensiv mit Antisemitismus auseinandergesetzt. Das Ergebnis ihrer Überlegungen : „Zu erklären, dass alle Juden eine bestimmte Meinung zu Israel haben oder angemessen von Israel vertreten werden, oder, umgekehrt, dass die Handlungen des Staates Israel allen Juden zuzurechnen sind – das zu behaupten hieße, die Juden mit Israel gleichzusetzen und damit eine antisemitische Verkürzung des Judentums zu begehen.“

Niemand bezweifelt Deutschlands geschichtliche Verantwortung gegenüber den Juden. Berlin will ihr mit einer besonderen Israelpolitik gerecht werden. Kritik an Israels Regierungshandeln ist tabu. Wenn Israel sich als Staat für alle Juden der Welt versteht und der Zentralrat in Deutschland für alle hier lebenden Juden spricht und handelt, dann wird Unrecht des Staates Israel auch dem jüdischen Nachbarn angelastet. In diesem Sinne führt Deutschlands Haltung gegenüber Israel zur antisemitischen Verkürzung des Judentums.

Indessen fühlen sich nicht alle Juden in Deutschland durch den Zentralrat vertreten. Israel ist nicht ihr Staat, sie wollen sich Handlungen Israels, etwa das Unrecht gegen die Palästinenser oder die Kriegsdrohungen gegen Iran – nicht zurechnen lassen. Diese jüdischen Stimmen werden in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen.

ULRIKE VESTRING, Bonn

Das Kernproblem Israels

■ betr.: „Ist die Entscheidung für J. Butler richtig?“, taz, 13. 9. 12

Ja und Nein nebeneinander ist immer wieder eine Freude, auch der Beitrag von Yakov Hadas-Handelsman, Botschafter von Israel, der das Kernproblem dieses Staates unabsichtlich (?) formuliert. Zitatstücke: „Boykott Israels“, „Israelis zu boykottieren“, „Boykott von Juden“. Übersetzt: Kritik an der israelischen Politik wird personifiziert als Kritik am israelischen Bürger und als religiös motiviert antijüdisch. Zum Vergleich: Ich kritisiere die taz-Redaktion, da sie den „Wie wir die Schweiz eroberten“-Artikel zuließ, das wird als Kritik an allen taz-Mitarbeitern wahrgenommen und als gegen sämtliche Religionszugehörigkeiten der taz-Mitarbeiter gerichtet.

Nebenbei, in meinem Verständnis ist Demokratie nicht religiös, und wenn Israels Politik das Selbstverständnis eines jüdischen Staates weiter in den Vordergrund stellt und regionale Kultur- und Religionsvielfalt darüber ausgrenzt, ist israelische Kritik an religiös begründeter Politik der Nachbarstaaten dann annehmbar?

HENDRIK FLÖTING, Berlin

Befremdlich eiert Butler rum

■ betr.: „Wir maskieren die Realität“, taz vom 11. 9. 12

Die Erklärungen Judith Butlers zu ihrer umstrittenen Hisbollah-Äußerung (taz vom 1. 7. 2010, S. 11) reichen aus, um zu erkennen, dass sie diese israelfeindliche Organisation nicht unterstützt. Und dass man sie letztlich doch nicht zur Linken zählen könne.

Das ist der Knackpunkt: Als ob es da etwas zu überlegen gebe! Befremdlich eiert Butler mit dem Begriff Antiimperialismus herum. Als ob der hohle Antiimperialismus, der krude Antisemitismus und die terroristische Gewaltbereitschaft der Hisbollah nicht offen zutage liegen würde.

Dass die gut informierte Professorin eine Anschlussfähigkeit dieser Organisation an die „Linke“ auf welcher Ebene auch immer überhaupt erwägen konnte, darin scheint mir das Problem zu stecken. KLAUS-PETER LEHMANN, Augsburg

Dämonisierung

■ betr.: „Wir maskieren die Realität“, taz.de vom 11. 9. 12

Es geht sowieso nicht um Frau Butler, was sie denkt oder sagt. Es wurde mal wieder die Gelegenheit gesehen, die Hisbollah und vor allem die Hamas als Dämonen hinzustellen, als die Teufel, die als solche nicht menschlich betrachtet und behandelt werden dürfen. Deshalb kommen die Vorhaltungen gegen Frau Butler auch aus der Ecke, die stets und ständig als Sprachrohr und Fürsprecher israelischer Gewalt- und Expansionspolitik auftreten. Dem hat Butler erneut kluges Argumentieren entgegengesetzt. Ute, taz.de

Preis ablehnen

■ betr.: „Zentralrat der Juden fordert Boykott“, taz.de, 11. 9. 12

Es wäre konsequent von Frau Butler, nun auch den 2. Preis, der ihr auf deutschem Boden verliehen werden soll, abzulehnen, wie zuvor schon den Zivilcourage-Preis am Christopher-Street-Day in Berlin 2010. Mit dieser erneuten Ablehnung könnte sie wirkungsvoll gegen die seit mehreren Wochen tobende, stark braun gefärbte Debatte über die Beschneidung von Juden und Moslems protestieren, die deutlich macht, wie viel Antisemitismus, Islamophobie und Rassismus in den Köpfen vieler Deutscher steckt. Die nicht, taz.de

Alle drei Jahre wird der Theodor-W.-Adorno-Preis zur „Förderung und Anerkennung hervorragender Leistungen in den Bereichen Philosophie, Musik, Theater und Film“ vergeben. Dieses Jahr an die amerikanische Philosophin Judith Butler. Schon im Vorfeld wurde heftig darüber gestritten: Butler habe die Hamas und die Hisbollah der Linken zugeordnet, sei eine „bekennende Israelhasserin“. Deshalb verdiene sie den Preis nicht.

Butler bekam in der taz Gelegenheit, darauf zu antworten, und bekannte sich zu Gewaltlosigkeit.

Den Zivilcouragepreis des Christopher Street Day e. V. lehnte sie im Jahr 2010 ab, weil sich, „die veranstaltenden Organisationen weigern, antirassistische Politik als wesentlichen Teil ihrer Arbeit zu verstehen. In diesem Sinne muss ich mich von dieser Komplizenschaft mit Rassismus einschließlich antimuslimischem Rassismus distanzieren.“

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