: Die zehn schmutzigsten Orte
1. Spülschwamm
Der Küchenschwamm hat alles, was Bakterien lieben: Er ist feucht, die Essensreste bieten Nährstoffe, er wird selten gereinigt und an seiner rauen Oberfläche können die Einzeller sich gut festhalten. Bei einer Studie der Hochschule Furtwangen fand Markus Egert bis zu 54 Milliarden Keime pro Kubikzentimeter. Ab zehn Millionen Keimen sprechen Mikrobiologen von sehr vielen, erklärt Egert. Im Schwamm rotten die Bakterien sich zu Aggregaten zusammen, die kaum aufzulösen sind. Deswegen sollte der Schwamm alle zwei Wochen gewechselt werden. Zwischendurch tut man den Schwamm am besten bei 60 Grad in die Waschmaschine. Mikrowelle und Spülmaschine gehen auch, aber mit der Kombination aus Hitze, chemischem Waschpulver und vielen Umdrehungen ist die Waschmaschine am effektivsten. Für kritische taz-Leser*innen fügt Egert hinzu: Wegschmeißen müsse man den Schwamm nach zwei Wochen nicht sofort. Stattdessen kann man damit Autofelgen, das Katzenklo und Blumentöpfe putzen – alles, wobei Hygiene nicht so wichtig ist, wie in der Küche.
2. Spüle
Die Spüle beherbergt mit Wasserhahn und Abfluss viele Keimfamilien. Meist wird sie seltener und mit weniger Chemie geputzt als die Kloschüssel. Gerade der Abfluss wird oft vergessen: Darin sind viele Millionen Keime, die nur ab und zu durch heißes Wasser und Chemie dezimiert werden. Wenn sie keinen Sauerstoff bekommen, fängt es an, nach faulen Eiern zu müffeln. Dann muss ein Schuss Rohrreiniger durch. Da wir selten in den Abfluss fassen, kümmern uns die Keime kaum. Es wurde aber auch beobachtet: Wenn der Wasserhahn direkt in den Abfluss zielt, können die Bakterien aus dem Abfluss in die Spüle hüpfen. Am Hahn selbst sammeln sich vor allem an der Öffnung Keime, der Kalkbelag bietet eine gute Oberfläche dafür. Trinkwasser ist nicht steril – bis zu 100 Keime pro Milliliter dürfen drin sein, solange es keine Krankheitserreger sind.
3. Kühlschrank
Schimmelnder Käse, blutiges Steak, ein angeknackstes Ei: Wo Lebensmittel lagern, sind auch gern Keime. Um Krankheitserreger auszuschließen, räumt man ab und zu alles aus und wischt Oberflächen und Dichtungen ab. Wie bei allen Flächen gilt: Normales Putzmittel reicht, extra Desinfektionsmittel braucht es nicht. Für gesunde Menschen sind meistens auch die Keime im Kühlschrank kein Problem, besonders aufpassen müssen nur Kinder, ältere und schwangere Menschen. Auch wenn das Immunsystem durch eine Grunderkrankung wie HIV oder durch eine Organtransplantation geschwächt ist, sollte man vorsichtiger sein.
4. Zahnbürstenhalter
Ein Blick in den Becher, in dem die Zahnbürste steht, zeigt oftmals: Auf dem Boden hat sich schon eine grüne Schimmelschicht abgesetzt. Er wird selten gereinigt, ist feucht und die Mikroorganismen können Stoffe der Zahnpasta abbauen, die daran klebt. Auch die Zahnbürste selbst trägt natürlich Keime: etwa 1.000 bis 10.000 Stück, schätzt Egert. Wechseln sollte man sie alle drei Monate – aber nicht deswegen, sondern weil die Borsten abstumpfen. Der Mund ist nach dem Dickdarm der mikrobakteriell am dichtesten besiedelte Ort des Körpers. Die paar Keime, die mit der Zahnbürste dazu kommen, sind kaum relevant. Und wenn man aus Versehen die Zahnbürste der Freundin benutzt? Solange man auch mal knutscht, fällt das kaum ins Gewicht. Denn bei einem Kuss werden Millionen Bakterien übertragen. Selbst wenn man sich mal ein Hotelzimmer mit der Geschäftspartnerin teilt und die Zahnbürsten verwechselt, ist das undramatisch. Markus Egert steckt seine Zahnbürsten manchmal zum Besteck in die Spülmaschine. Ob das hilft, ist noch nicht untersucht worden.
5. Tiernapf und Haustierspielzeug
Die Katze schleckt gerne mal den Tisch ab? Alles, was mit Tiersabber in Berührung kommt, sollte gründlich gereinigt werden. Denn wie wir haben die Haustiere im Mund viele Keime. Das Stoff-Spielzeug kann in die Waschmaschine – besser separat von anderen Textilien, rät Egert – und der Napf sollte regelmäßig gespült werden. „Aber wer eine Maus frisst, wird von einem ungewaschenen Napf nicht sterben“, beruhigt der Mikrobiologe. Obwohl das Zusammenleben mit Tieren mikrobiologisch gesehen gesund ist, übertragen sie manchmal Krankheiten wie eine Magen-Darm-Infektion. Den Dackel also nicht mit ins Bett nehmen und nicht küssen.
6. Handtuch
Markus Egert verdankt seinen ganzen Lebensruhm vierzehn gebrauchten Spülschwämmen. Als Mikrobiologe an der Hochschule Furtwangen leitete er eine Studie zur Keimbelastung von Küchenschwämmen.
Im Sommer 2018 veröffentlichte er das Buch: „Ein Keim kommt selten allein“. Darin erklärt er, warum er gern mit den Mikroorganismen zusammenlebt.
In Anlehnung an eine Studie der US-amerikanischen Produkttest-Organisation NSF International, die 2011 verschiedene Objekte im Haushalt auf bestimmte Bakterien, Schimmel- und Hefebildung testete, hat Jolinde Hüchtker mit Hilfe Egerts die zehn schmutzigsten Orte in der Wohnung ermittelt.
Der US-amerikanische Mikrobiologe Charles Gerba sagte der Times: „Wenn du dein Gesicht an einem Küchenhandtuch abtrocknest, das zwei Tage benutzt und nicht gewaschen wurde, hast du mehr E.Coli-Bakterien an deinem Gesicht, als wenn du deinen Kopf in die Toilette steckst und spülst.“ Markus Egert hält das für realistisch. Vor allem stimmt der Vergleich, weil die Toilette so sauber ist. Aber auch, weil ein Handtuch lange feucht bleibt und die Bakterien dort gerne ansiedeln. Auf den Handtüchern im Bad sind es meistens die eigenen Keime, die schaden der Gesundheit nicht. Aber es kann anfangen zu stinken, wenn die Bakterien Hautschuppen und Schweiß zersetzen. Auch hier hilft die Wäsche bei 60 Grad. In der Küche sollten unterschiedliche Handtücher für Geschirr und Hände verwendet werden.
7. Kaffeemaschine
Bakterien im Espresso?! Das Gute an der Kaffeemaschine ist, dass das Wasser kochend heiß hindurch fließt: Das Innere der Maschine und alles, was in der Tasse landet, ist desinfiziert. Auch alles, was im Kaffeepulver fleucht, stirbt damit ab. Deswegen sollte man sich übrigens auch beim Tee an die Ziehzeit halten – nicht nur, damit er gut schmeckt, sondern auch weil so die Mikroorganismen im Teebeutel abgetötet werden.
An viele Stellen einer modernen Espressomaschine gelangt das heiße Wasser jedoch nicht: Das Wasserauffangbecken schimmelt gern mal und außen oder an den Kaffeekapseln lagern sich gern Bakterien. Aufpassen muss man aber erst, wenn Milch ins Spiel kommt. Schäumt die Maschine gleich die Milch mit auf, siedeln sich gern Magen-Darm-Bakterien an, die das Protein darin leicht abbauen können. Sie vermehren sich rapide in den Schläuchen, auch weil die Milch meist nicht heiß genug wird, um ihnen gefährlich zu werden. Die Maschine mit Säure zu entkalken, hilft auch gegen Bakterien.
8. Arbeitsplatten und Schneidebretter
Holz- oder Plastikbrett? Das Plastikbrett hat den Vorteil, dass es die Spülmaschine aushält. Allerdings bilden sich dort Risse, in denen sich mehr Keime einlagern können. Bei Holzbrettern schließen sich solche Risse, weil das Material aktiv ist. Dafür werden sie bei häufigen Spülmaschinengängen blass und brüchig. Ordentlich abwischen sollte man die Flächen besonders, wenn man rohes Fleisch geschnitten hat. Aber auch rohes Gemüse enthält grundsätzlich viele Bakterien: Die Ehec-Epidemie von 2011, bei der tausende Menschen sich infizierten und über 50 an den Darmbakterien starben, ging vermutlich auf Sprossen aus Bockshornkleesamen zurück. Besonders vorgeschnittener Salat ist bei Bakterien beliebt, da sie sich wunderbar von dem austretenden Pflanzensaft ernähren können. Er sollte in zwei Tagen aufgebraucht werden.
9. Herdknöpfe
An allem, was wir anfassen, hinterlassen wir Keime. Nicht wahnsinnig viele, sagt Egert, aber eine bunte Mischung. An den Herdknöpfen landen zusätzlich Spritzer vom Bratöl oder ein mutiges Pfefferkorn. Aber auch Kühlschrankgriffe, Türklinken, Lichtschalter vergisst man schnell mal abzuwischen. Warmes Wasser mit einem Schuss Spülmittel hilft. Lagert sich auf der Türklinke eine Staubschicht ab, ist das an sich nicht schlimm: Der Staub ist zu trocken für die Bakterien, Allergikern könnte er allerdings Probleme bereiten. Staub gelte nur als unhygienisch, weil er ein Indikator für Putzmuffel ist, sagt Egert.
Schimmelpilze, Noroviren und E.coli-Bakterien – da verliert man schon mal den Überblick. Keime ist der umgangssprachliche Begriff für Mikroorganismen, zu denen unter anderem Bakterien, Pilze, Algen und Viren zählen. Eine Bakterie ist ein Tausendstel Millimeter groß und besteht nur aus einer Zelle. Steckt man sie in einen Mixer, bleibt sie lebendig.
Tausende Arten von ihnen leben mit uns im Haushalt. Darunter können sich Krankheitserreger befinden. Ein rohes Stück Hühnerfleisch hat normalerweise 10 bis 100 Millionen Bakterien pro Gramm – allerdings sind die wenigsten davon Durchfallerreger wie Salmonellen.
10. Toilette
Die Toilette sei einer der saubersten Orte der Wohnung, meint der Mikrobiologe. Man könne sogar daraus trinken, weil in den meisten Haushalten mit Trinkwasser gespült werde. Gerade mal zehn bis 100 Keime finden sich auf einem Kubikzentimeter – das glatte, kalte Keramik ist keine günstige Oberfläche für Bakterien, zudem wird oft und mit scharfer Chemie gereinigt. Der Ekel ist also übertrieben.
Irrtum:
Manchmal heißt es, das Smartphone sei keimbelasteter als das Klo. Bei einer Studie der Hochschule Furtwangen sah es ganz anders aus: Gerade mal einen Keim pro Kubikzentimeter hätten sie gefunden, berichtet Egert, bei anderen Studien seien es auch mal 100 Keime, aber das sei immer noch wenig. Obwohl so viele ihr Handy zum Surfen mit aufs Klo nehmen? Ja, sagt der Mikrobiologe, die Oberfläche sei zu glatt für Bakterien. Außerdem wischt man oft den Bildschirm ab – beim Tindern oder wegen der Fettflecken, aber Keime werden dabei auch weggewischt. Beautymagazine warnen Teenager zwar vor der sogenannten „Handy-Akne“: Hält man sich das Handy an die Backe, bekomme man dort wegen der Bakterien Pickel. Das sei jedoch Quatsch, sagt Egert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen