Wirtschaftsminister besucht Vietnam: Geschäfte mit dem Kidnapperstaat
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier besucht mit einer Wirtschaftsdelegation Vietnam. Auf dem Programm fehlen Menschenrechtsfragen.
Diese Woche nun wird die Einweihung des Deutschen Hauses nachgeholt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) reist dazu mit einer deutschen Wirtschaftsdelegation nach Vietnam. Es gibt einen Akt, als wäre das Haus gerade eröffnet worden. In dem für seine ökologische Bauweise ausgezeichneten Gebäude sitzen das deutsche Generalkonsulat und Repräsentanzen deutscher Firmen in dem südostasiatischen Boomland.
Der Altmaier-Besuch steht im Zeichen der Normalisierung der neuen deutsch-vietnamesischen Beziehungen. Letzten November hatte die Bundesregierung klammheimlich die sogenannte „strategische Partnerschaft“ zwischen beiden Staaten wiederbelebt. Das geschah auf Drängen der deutschen Wirtschaft, die in dem Land nach Aufträgen giert.
Weil in Vietnam vieles aber staatlich reglementiert ist, gibt es Aufträge für deutsche Firmen oft nur, wenn die Wirtschaftsbosse gemeinsam mit Politprominenz ins Land reisen und dann zusammen auch vietnamesische Politiker treffen. Auf Altmaiers Terminplan stehen darum Treffen mit Vietnams Ministerpräsident Nguyen Xuan Phuc, mit zwei Ministern, ein Business Roundtable und Unternehmensbesuche.
Grüne hatten Blick auf Menschenrechte gefordert
Über ein Treffen mit vietnamesischen Menschenrechtsverteidigern ist nichts bekannt. Genau das haben die Grünen gefordert, offenkundig vergeblich. Das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit würden „systematisch und willkürlich beschränkt“, schrieben sie an Altmaier.
Die Normalisierung der Beziehungen geschah von deutscher Seite auch in der Erwartung, dass Vietnam den zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilten Trinh Xuan Thanh begnadigt und zu seiner Familie nach Berlin zurückschickt. Ende 2018 hatten sich wirtschaftsfreundliche Kräfte in der vietnamesischen Politik dafür starkgemacht. Doch sie konnten sich im innervietnamesischen Machtkampf nicht durchsetzen, wohl auch, weil Deutschland zu schnell zur Normalität zurückgekehrt war.
Möglicherwiese hat Vietnam in diesem Jahr erneut einen vietnamesischen Staatsbürger aus dem Ausland entführt. Der Blogger Truong Duy Nhat verschwand im Januar im thailändischen Exil, wo er Asyl beantragt hatte. Letzte Woche tauchte er wieder auf: in einer vietnamesischen Haftanstalt. Die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen fordert von Hanoi eine Erklärung, wie er dort hinkam.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Grünen-Parteitag in Wiesbaden
Grüne wählen neue Arbeiterführer