piwik no script img

Israel öffnet Grenzübergänge nach GazaVier Tote an Protest-Jahrestag

Israel öffnet die Übergänge zu Gaza trotz neuer Raketenangriffe. Hamas hatte erstmals Ordner mit Warnwesten bei Demo eingesetzt.

In Trümmern: Palästinensischer Junge in Gaza Foto: ap

JERUSALEM taz | Zwischen Israel und der Hamas zeichnet sich eine Einigung über eine temporäre Waffenruhe ab. Trotz erneuter Raketenangriffe in der Nacht zum Sonntag öffnete Israel die Grenzübergänge Erez für den Personenverkehr und Kerem Schalom für Warenlieferungen in den Gazastreifen.

Salach al-Aruri, Mitgründer der Hamas-nahen Kassam-Brigaden, rechnet mit einer Einigung in wenigen Tagen. Er lobte die Palästinenser für ihre „Widerstandskraft gegen die Besatzung“. Noch am Samstag hatten 40.000 Palästinenser in der Grenzregion des Gazastreifens demonstriert, um den Jahrestag des „Großen Marschs der Rückkehr“ zu begehen. Erstmals schickte die Hamas Tausende Ordnungshüter in orangefarbenen Warnwesten. Sie sollten verhindern, dass die Demonstranten zu dicht an die Grenze vorrücken und Autoreifen in Brand stecken. Trotzdem wurden am Wochenende vier Palästinenser zwischen 17 und 20 Jahren von israelischen Scharfschützen erschossen.

Israels Armee war mit dem größten Truppenaufgebot seit dem Krieg vor fünf Jahren an die Grenze gezogen. Soldaten waren instruiert, mit besonderer Vorsicht vorzugehen, um Todesfälle zu verhindern. Unter den Militärs, die verstärkt Tränengas, Lärm- und Farbbomben einsetzten, gilt die Bilanz von „nur vier Toten“ als Erfolg.

Seit gut einer Woche drohte ein erneuter Krieg zwischen Israel und der Hamas. Auslöser war eine am Montag auf das Zentrum Israels abgeschossene Langstreckenrakete, die sieben Menschen verletzte. Einzig den ägyptischen Vermittlungsanstrengungen ist es zu verdanken, dass die Demonstrationen am Wochenende keine schlimmeren Ausmaße annahmen.

266 Palästinenser erschossen

Die Organisatoren des „Großen Marschs der Rückkehr“, mit dem Palästinenser aus dem Gaza­streifen das Rückkehrrecht der Flüchtlinge in Teile des heutigen Israels fordern, hatte zuvor den „Eine-Million-Marsch“ angekündigt. Bei den Demonstrationen waren in den vergangenen zwölf Monaten laut WHO insgesamt 266 Palästinenser erschossen worden. Ein UN-Untersuchungsbericht hält fest, dass die israelischen Soldaten gegen internationale Menschenrechte verstoßen hätten. Es könnte sich um Kriegsverbrechen handeln.

Fatah-Funktionär Hussein al-Scheich, ein enger Vertrauter von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, twitterte Fotos von den Ordnungshütern in oranger Weste und kritisierte die Hamas dafür, dass sie die Demonstranten daran hinderte, dem Zaun näher zu kommen. Tatsächlich trifft Abbas die Hauptverantwortung für die sich verschärfende Verzweiflung der Menschen im Gaza­streifen, denn er kürzte die Zahlungen für die Stromversorgung sowie die Gehälter der Mitarbeiter der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Abbas trifft die Hauptverantwortung für die sich verschärfende Verzweiflung der Menschen im Gaza­streifen: Er kürzte die Zahlungen für die Stromversorgung sowie die Gehälter der Mitarbeiter der Palästinensischen Autonomiebehörde

Soweit bislang bekannt, umfasst die Einigung zwischen der Hamas und Israel Erleichterungen beim Grenzverkehr, eine Erweiterung der Fischereizone und die Genehmigung an Katar, Hilfsgelder in den Gaza­streifen zu bringen. Die 40 Millionen US-Dollar sollen in die Stromerzeugung, Müllverarbeitung und in Entsalzungsanlagen zur Erzeugung von Frischwasser fließen. Die Hamas verpflichte sich umgekehrt, für Ruhe in der Grenzregion zu sorgen und Angriffe der mit Brandsätzen bestückten Heliumballons zu unterbinden.

Israels Bildungsminister Naftali Bennett, Chef der Neuen Rechten, kritisierte Regierungschef Benjamin Netanjahu dafür, die israelischen Anwohner in den Ortschaften in der Grenzregion „ihrem Schicksal zu überlassen“. Bennett forderte die ­Einberufung des Sicherheits­kabinetts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Das klingt ja fast wie ein Vergleich, was ja zumindest etwas Vernunft voraussetzt. Wenn man dann aber das Gebrabbel von Hussein al-Scheich und Naftali Bennett hört, wird klar, dass der Frieden dort auf absehbare Zeit keine Chance hat.



    Der Zustand wird sich eher weiter und weiter verschlechtern:



    www.welt.de/politi...erlassen-Gaza.html